Sonnenfinsternis
also ganz bestimmt keines der Mädchen, schlussfolgerte ich.
Erst als ich mir sicher war, dass er an meiner Tür vorbei war, wagte ich es sie noch einmal zu öffnen. Vorsichtig sah ich auf den Flur nach rechts. Nur ein paar Meter weiter war die Person. Er schlich an den Türen vorbei. Ich nahm meinen Mut zusammen und folgte ihm so leise, wie es nur ging. Im Wohnhaus herrschte Totenstille. Ich war barfuß, also machte ich zu meinem Glück keinen Lärm. Aber der Boden war so kalt, mir froren beinahe die Füße ab.
Gott, ich fühlte mich wie in einem Horrorstreifen, wo das Opfer dem Mörder direkt in die Arme läuft. Aber ich konnte nicht anders, ich musste es wissen. Als ich drei Türen weiter war, bog er schon um die Ecke in den nächsten Flur. Ich musste mich beeilen, um ihn nicht zu verlieren, deshalb beschleunigte ich meine Schritte. Doch als ich vorsichtig um die Ecke sah, war er nicht mehr da. Er musste wohl doch, in einem der Zimmer verschwunden sein. Denn dieser Flur endete beim letzten Zimmer.
Etwas enttäuscht atmete ich einmal tief ein und wieder aus. Schnell ging ich zurück in mein Zimmer und verschloss die Tür gründlich. Einen Moment blieb ich bei der Tür stehen und grübelte. Das war echt merkwürdig. Ich hätte so gerne gewusst, wer das gewesen war und zu wem er wollte.
Ich holte mir ein Paar Socken, setzte mich aufs Bett und zog sie an. Jetzt war mir eiskalt. Ich verkroch mich unter die warme Decke, die ich bis zum Kinn hochzog.
Die Türen der Bibliothek waren weit geöffnet, als ich am Nachmittag daran vorbei ging, während ich einen kleinen Spaziergang machte. Ich blieb stehen und spähte hinein. Ich war bis jetzt noch nicht drin gewesen, und da die Tür schon so einladend offen stand, konnte ich genauso gut schnell hineinschauen.
Ich betrat also die Halle des Wissens, dabei staunte ich nicht schlecht. Das alte Gebäude beherbergte eine derart große Bibliothek, wie ich es zuvor, bei einer Schule, noch nie gesehen hatte. Ich war umringt von Regalen, die in dem siloartigen Gebäude auf vier Etagen verteilt waren.
Ich legte den Kopf in den Nacken, um die Glaskuppel über mir zu bestaunen, die das Licht in den verschiedensten Farben wiedergab. Es roch nach Holz und Papier. Ich fühlte mich wie in einer anderen Zeit. Als wäre die Welt da draußen nicht mit mir durch die Tür gekommen.
Wie ferngesteuert bewegte ich mich weiter in den Raum hinein.
Außer mir sah ich nur noch Mrs. Hops, die Bibliothekarin, die konzentriert in ein Buch starrte, bis sie mich bemerkte.
„Oh, Miss Moor“, sagte Mrs. Hops ganz überrascht und zupfte ihren Pullover schnell zurecht. „Was tun Sie den hier?“ Sie wirkte nervös.
„Ist es den nicht erlaubt die Bibliothek zu betreten?“, fragte ich verwirrt.
„Natürlich, natürlich … sehen Sie sich nur um.“ Ihr Lächeln war so erzwungen, wie meines, wenn Mom mich auf eine ihrer Nachmittagspartys schleppte.
Mit ihrem Blick im Nacken, was so unheimlich war, dass sich mir die Haare auf den Armen aufrichteten, ging ich auf die Bücher zu meiner Rechten zu. Ich sah kurz, und wie ich hoffte unauffällig, über die Schulter zurück. Mrs. Hops beobachtete mich mit ihren kleinen Augen, als würde ich gleich ein Buch mitgehen lassen.
Was war bloß los mit der Frau?
Da es recht warm war, zog ich meine Jacke aus und legte sie über einen der Stühle, die bei den Tischen standen. Ich sah mir die Bücher nicht besonders genau an, sondern strich nur mit meinen Fingern darüber, bevor ich im nächsten Gang verschwand, um ihren bohrenden, braunen Augen zu entkommen. Hier hinten war das Licht gedämmter, aber etwas leuchtete mir aus dem Regal entgegen, als würde es mich rufen. Ein schwarzer Einband, mit einer goldenen Schrift. Faszination überkam mich. Ich steuerte direkt darauf zu, als müsste ich es unbedingt lesen.
Langsam zog ich es zwischen den anderen Büchern heraus. Es war schwer und alt. Vorsichtig fuhr ich mit den Fingern die goldenen Buchstaben des Titels nach, als würden sie sich gleich in Luft auflösen.
„Arkadus“ stand als Titel geschrieben, darunter ein kleines M.
Ich hatte das Gefühl es zu kennen. Ich schlug die erste Seite auf.
„Der Aufstieg des Erben“, murmelte ich vor mich hin.
„Sie wird kommen, eines Engels gleich. Wenn Sonne und Mond am Himmel vereint. In den Träumen der Wächter wird sie sein. Ihr Herz rein, voll Unschuld und ohne Böswilligkeit. Ihr Blut ist das Elixier der Macht. Beschützt muss wie werden, bis der Mond ist schwarz wie die
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