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Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)

Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)

Titel: Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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segelten die anderen Fledermäuse durch das Laubwerk und sammelten sich in der Nähe des Daches. Einige ließen sich auf hohen Bäumen nieder, andere kreisten aufgeregt und beobachteten den Himmel.
    „Schaut!“, flüsterten sie in fieberhafter Erwartung. „Seht hin!“
    Die Morgendämmerung. Schatten schaute hingerissen zu, wie sich die Sonne in einem hellen Streifen am fernen Horizont krümmte. Seine Gedanken flogen Monate zurück in die Wälder des Nordens, als er noch ganz jung gewesen war und sein Leben für solch einen Anblick aufs Spiel gesetzt hatte. Die Erinnerung an die Eule, die versucht hatte, ihn zu schnappen, ihr Geruch und das Geräusch, alles war wieder so lebendig in seinem Kopf, dass er unwillkürlich über die Schulter zurückblickte, um sich zu vergewissern, dass er in Sicherheit war. Er konnte die gleiche Mischung aus Angst und Bewunderung auf den Gesichtern der anderen Fledermäuse seiner Kolonie sehen, sogar auf dem von Frieda.
    Nach Millionen von Jahren ohne die Sonne sahen sie sie nun mit königlicher Anmut aufgehen und Dunstschleier am Horizont hinter sich lassen. Schatten war einmal im vollen Tageslicht geflogen, aber er hatte nie gesehen, wie sich die Sonne vom Horizont löste. Die Fledermäuse waren in eine stumme Verträumtheit verfallen, als die Sonne ihren vollen Glanz annahm, eine strahlende Lichtscheibe am Himmel.
    Schatten blickte sich um zu all den ekstatisch hochgereckten Gesichtern, dem im Sonnenlicht gebadeten Fell, den glänzenden Augen. Und er spürte, dass dies für sie ein Ritual war, sich zu versammeln, um den Sonnenaufgang zu beobachten.
    Er schaute zu Marina, und es war, als ob er sie zum ersten Mal sähe, so leuchtete ihr Fell. So weich schien es. Jedes glatte Haar funkelte. Sie sah aus wie eine neue Art von Geschöpf, ganz aus Licht gewebt. Sie wandte ihm ihre hellen Augen zu, in jedem eine kleine Sonne, und lächelte, und er lächelte verhalten zurück und schaute dann weg, überrascht und verlegen.
    Die Sonne schien alles zu verwandeln, schien Einzelheiten zu verdeutlichen, die er nie bemerkt hatte, die Adern von Blättern, Schatten in der Baumrinde. Er wollte alles noch einmal erneut berühren. Die Welt schien gewachsen. Er schaute zur Sonne selbst zurück und stellte überrascht fest, dass er nur ganz wenig blinzeln musste. Er runzelte die Stirn. „Sie ist doch viel heller“, murmelte er zu Marina.
    Sie nickte. „Ich erinnere mich.“
    Als er unter ihrem vollen Glanz geflogen war, um Goth und Throbb zu entkommen, hatte er sie nicht voll anblicken können, ohne in beiden Augen ein mächtiges schmerzhaftes Stechen zu spüren.
    „Das Dach muss sie irgendwie abmildern“, sagte er, und er erinerte sich an sein dunkles Glänzen von außen.
    Arkadia erhob sich in die Luft und kreiste über ihnen. Ihre Augen funkelten vor Licht. „Seht ihr“, sagte sie, „das Große Versprechen ist erfüllt worden! Hier ist die Sonne! Und wir können sie anschauen. Wir können in ihrem Licht fliegen, ohne etwas fürchten zu müssen. Es gibt keine Eulen, keine Vierfüßler, die uns jagen könnten. Seht ihr? Die Sonne gehört wieder uns! Unsere Verbannung ist zu Ende!“
    Immer hatte Schatten angenommen, es würde einen Krieg mit den Eulen geben. Wie sonst könnte ihre Verbannung enden, wie sonst könnten sie wieder das Recht erlangen in der Sonne zu fliegen? Nie hatte er gedacht, es könnte so gehen: eine vollkommene Welt, die von den Menschen für sie geschaffen war.
    „Und die Ringe?“, fragte Frieda. „Was bedeuten die?“
    „Nachdem ich beringt war, habe ich mir eine Menge Gedanken darüber gemacht“, sagte Arkadia, „wie sicherlich viele von uns. Aber diese Ringe sind an sich keine magischen Gegenstände. Sie unterscheiden nicht gute von schlechten Fledermäusen. Wir haben keine gemeinsame Sprache mit den Menschen, daher sind die Ringe ein Mittel uns zu verbinden. Es sind Zeichen der Freundschaft, ein Symbol des Großen Versprechens. Sie sagen uns, dass die Menschen eine Rolle spielen bei der Ankunft des Tages. Nocturna hat das Große Versprechen gegeben, die Menschen haben es eingelöst!“
    Über die Baumwipfel hinweg trafen sich die Blicke von Schatten und seiner Mutter. Er lächelte.
    „Wir wollen deinen Vater suchen“, rief sie ihm zu. Sein Herz hämmerte. Irgenwo in diesem gewaltigen Wald hielt sich sein Vater auf, das konnte er fühlen.
    „Wir sind gekommen, um jemanden zu suchen“, sagte Ariel zu Arkadia. „Einen beringten Silberflügel namens

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