Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)
fragte sich, ob sein Vater überhaupt gefunden werden wollte. Zu selbstsüchtig, um überhaupt an die Partnerin und den Sohn zu denken? Hat er denn nicht den Wunsch mich zu finden?, dachte er verzweifelt.
„Es könnte ja sein, dass er diesen Ort hier nie erreicht hat“, erklärte Ariel. „Die Eulen könnten ihn unterwegs erwischt haben. Vielleicht ist er auch“ – sie seufzte und schaute weg –„woanders hingeflogen.“
„Ich kann nur nicht verstehen, wie du aufgeben kannst“, sagte er.
„Ich denke, es ist Zeit, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen.“ Sie schaute ihn an. „Du musst dich um Marina kümmern, weißt du.“
Er schnaubte bitter. „Oh, ich glaube, sie kann sich sehr gut um sich selber kümmern. Sie ist schon beliebter als ich. Du solltest sehen, wie Chinook bei ihr rumhängt...“ Er schaute seine Mutter an. „Was meinst du damit, ich muss mich um sie kümmern? Die Hälfte der Zeit glaube ich, sie mag mich gar nicht.“
„Sie hat es schwer. Sie ist kein Silberflügel, und ich möchte nicht, dass sie sich bei uns wie ein Außenseiter fühlt. Sie hat sonst niemanden.“
Schatten nickte verlegen. „Ich weiß, ich weiß.“ Als er Marina kennen gelernt hatte, lebte sie ganz allein. Weil sie beringt worden war, hatten die Mitglieder ihrer Kolonie sie ausgestoßen. Sie waren der Meinung, dass die Ringe böse wären und allen Unglück brächten. Sogar ihre eigenen Eltern hatten sie verstoßen, was Schatten unglaublich schmerzlich fand. Nachdem sie zusammen das Hibernaculum erreicht hatten und nachdem ihr der Ring abgerissen worden war, hatte sie daran gedacht, zu ihrer eigenen Kolonie zurückzukehren, das aber dann doch nicht getan. Schatten lächelte, als er daran dachte, wie froh er gewesen war, als sie Friedas Einladung, bei ihnen zu bleiben, angenommen hatte. Dann runzelte er die Stirn. „Sie hat sich ganz prima eingelebt“, murmelte er. Ariel behandelte sie wie eine eigene Tochter und er merkte, dass Marina diese Aufmerksamkeit mochte – an der Art, wie sie förmlich schnurrte, wenn Ariel ihr das Fell kämmte. Auch Chinook mochte sie und sie schien die Zuneigung zu erwidern. Und Schatten war auch nicht entgangen, wie einige der anderen jungen Männchen sie bewundernd anschauten – wahrscheinlich dieses großartige Glanzflügelfell, dachte er naserümpfend. Zugegeben, die jungen Weibchen schienen nicht so begeistert, sie in der Kolonie zu haben, aber was soll’s? Es sah nicht so aus, als ob sie darunter litt.
„Sie kann Dinge gut verbergen“, sagte Ariel, als hätte sie Schattens Gedanken gelesen. „Behalt sie im Auge, das ist alles, was ich meine.“
ja doch. Sicher“, sagte er. Sie erreichte nur, dass er sich wieder wie ein unwissendes Kleinkind fühlte, und das passte ihm nicht. Er wusste nicht einmal, warum sie gerade jetzt über Marina redeten. Er wollte doch über seinen Vater sprechen.
Ariel berührte seine Wange mit ihrem Flügel. „So rastlos“, sagte sie. „Sei doch stolz auf die Dinge, die du getan hast, Schatten. Ohne dich wären wir wahrscheinlich nicht an diesen Ort gelangt. Du hast uns die Sonne gebracht, genau so, wie du es wolltest.“
Er nickte und erinnerte sich an das Verspechen, das er sich vor langer Zeit gegeben hatte. Aber sein Herz war schwer wie Blei.
„Wir müssen es den anderen im Hibernaculum berichten“, sagte Frieda. „Sie haben ein Recht darauf zu erfahren, was wir hier gefunden haben. Ich frage mich nur, wann. Gehen wir jetzt oder warten wir bis zum Frühjahr?“
„Dann könnten die Eulen bereits angegriffen haben“, bemerkte Ikarus grimmig.
Schatten hielt sich mit Marina und den anderen Silberflügeln seiner Kolonie bei dem plätschernden Bach auf und hörte zu. Aber er beobachtete Arkadias Augen. Sie waren ganz anders als Friedas. Man konnte merken, dass Arkadia nicht wollte, dass man Fragen stellte. Und sie wollte nicht, dass man widersprach. „Ich fürchte, es wird nicht möglich sein, dass ihr zum Hibernaculum zurückkehrt“, sagte Arkadia einfach. Schatten war empört. Wer war sie bloß, dass sie ihnen vorschreiben könnte, was sie tun konnten und was nicht?
„Ich verstehe nicht“, sagte Frieda ruhig.
„Der Rest eurer Kolonie hat seine Wahl bereits getroffen. Sie haben sich entschieden nicht mit euch zu kommen.“
„Aber wenn sie von diesem Ort hören“, sagte Frieda, „ändern sie möglicherweise ihre Meinung.“
„Ich glaube, dieser Ort ist für diejenigen gedacht, die den Glauben und den Mut hatten ihn zu
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