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Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)

Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)

Titel: Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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Cassiel.“
    Arkadia ließ sich unter einem Ast nieder und dachte nach. „Cassiel. So viele sind gekommen, lass mich versuchen ...“ Sie erhob ihre Stimme und rief über die Baumwipfel hinweg: „Gibt es einen Cassiel Silberflügel unter uns? Gebt die Frage weiter!“
    Schatten sträubte sich das Fell, als er hörte, wie der Name seines Vaters durch den Wald jagte wie eine Welle, die das Wasser kräuselt. Er konnte nicht still halten, er musste einfach in die Luft. Er flog ganz hoch unter das Dach und horchte.
    „Cassiel! Cassiel Silberflügel! Ist er hier? Cassiel ... Cassiel ... Cassiel ...“, bis die Stimmen immer leiser wurden und schließlich verstummten. Schatten fühlte das Blut in den Ohren dröhnen. Mit den Augen suchte er seine Mutter, die mit ruhigem Gesicht und hoffnungsvoll gespitzten Ohren auf eine Antwort wartete.
    Die kam jedoch nicht.
    Nach ein paar qualvollen Augenblicken sagte Arkadia liebevoll: „Es tut mir Leid.“
    „Danke“, sagte Ariel. Ihre Ohren falteten sich langsam zusammen und legten sich an den Kopf.
    Schatten hörte mitfühlende Stimmen um sich herum, die ihm und seiner Mutter sagten, es täte ihnen Leid, sehr Leid, aber für ihn waren das nur Geräusche. Er sah Arkadia an.
    „Nein, er muss hier sein“, beharrte er, und seine eigene Stimme kam ihm betäubend laut vor. „Er ist im letzten Frühjahr hierher gekommen. Er wusste von diesem Ort. Er muss hierher gekommen sein – sogar vor allen anderen. Er ist hier!“
    „Als meine Gruppe hier ankam, waren wir die Ersten“, sagte Arkadia bestimmt. „Es gab keine anderen Fledermäuse im Wald, und ich erinnere mich auch nicht an einen beringten Silberflügel, der so hieß. Es tut mir Leid, dass ich dir schlechte Nachrichten bringen muss. Aber du musst versuchen dankbar zu sein für das Paradies, das du hier gefunden hast.“
    Schatten blickte sie zornig an und flog weg. Seine Augen waren tränenblind. Er stürzte sich tief zwischen die Äste, suchte sich einen Rastplatz und versuchte klar zu denken. Er wollte nicht weinen, wollte das einfach nicht.
    Er würde den Wald durchkämmen, um ganz sicher zu sein.
    Diese dämliche Fledermaus mit dem Fransenbart wusste auch nicht alles. Wahrscheinlich war sie noch nicht einmal eine Älteste, sondern nur irgendeine alte Tucke, die sich wichtig machte.
    Als seine Mutter kam und sich neben ihm niederließ, konnte er sich nicht zu ihr hinwenden und ihr ins Gesicht sehen. Er wusste, wenn er sah, wie ihre Augen seinen eigenen Kummer widerspiegelten, würde er anfangen zu schluchzen.
    „Er ist am Leben“, sagte Schatten durch zusammengebissene Zähne. „Zephir hat es gesagt.“
    „Vielleicht hat sich Zephir geirrt. Wir können nicht unser Leben lang nach ihm suchen.“
    „Warum nicht?“
    „Du bist so rastlos, genauso wie er“, sagte sie. „Jede Reise muss irgendwo einmal zu Ende gehen, Schatten.“
    „Du gibst auf?“, fragte er erstaunt.
    „Aufgeben.“ Sie seufzte. „Heißt es das? Viele von uns haben ihre Partner verloren. Das ist eines von den grausamen Dingen, die unvermeidlich sind.“
    Es passte ihm nicht, wie vernünftig sie klang. Wie konnte sie nur so vernünftig sein?
    „Ich bin nicht so unglücklich“, sagte sie. „Ich habe dich. Und ich bin nicht zu alt, um weitere Junge zu bekommen.“
    Schockiert starrte er sie an. „Das kannst du nicht tun.“
    Sie lachte freundlich, aber Schatten fühlte, wie sein Gesicht brannte, als wäre er wieder ein kleines Kind und hätte gerade etwas Lächerliches gesagt.
    „Woher weißt du, dass dein Vater nicht irgendwo anders das Gleiche getan hat?“
    „Das würde er nicht tun.“
    Seine Mutter erwiderte nichts. Sie hat Recht, dachte er unglücklich. Was weiß ich denn schon? Genau genommen weiß ich gar nichts über meinen Vater. Habe ihn nie getroffen. Werde ihn vielleicht nie treffen. Und plötzlich war er wütend.
    „Er ist mir immer gerade ein Stückchen voraus. Warum macht er nicht ein bisschen langsamer und hilft mir, gibt uns ein Zeichen, hinterlässt uns eine Nachricht! Eine Million Flügelschläge bin ich deswegen gekommen, und er kann nicht einmal...“
    Er brach ab, weil er wusste, dass er Unsinn redete, aber er konnte die Frustration und die Enttäuschung nicht länger in seinem Inneren verschließen. Wenn er wüsste, sein Vater wäre tot, könnte er versuchen, darüber hinwegzukommen. Dann hätte er wenigstens das Gefühl mit etwas abzuschließen, nichts weiter unternehmen zu müssen, keine Mühe mehr und keine Sorge. Er

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