Sonnenlaeufer
Sonnenaufgang. Und du weißt ja, alles, was ich ausgebe, kannst du nur dadurch wieder wettmachen, dass du mit Akkal als Erster ins Ziel kommst.«
»Du gibst also nur daher so viel aus, dass ich einen Anreiz habe, zu gewinnen«, brummte er.
»Wie gut du mich doch kennst! Nun ja, es ist nicht nur unseres. Mutter hat mir etwas gegeben, das ich für Rohan ausgeben soll, und er hat mir auch nicht wenig zukommen lassen. Er hat gesagt, dass ich es ausgeben soll, wie ich will, aber in Wirklichkeit hat er gemeint, ich soll Sioned etwas kaufen.«
»Sie geht mit?«
»Natürlich.« Wieder küsste Tobin ihn. »Wie es scheint, werde ich durchschaubar. Du wirst dich bald mit mir langweilen.«
Sie warf ihm seine Kleider zu, bevor sie das Zelt verließ. Draußen in der warmen Sonne reckte sie sich ausgiebig, nieste die ungewohnten Düfte fort, die sie in der Nase kitzelten, und ging dann zu dem Zelt der Lichtläufer hinüber, wo Sioned und Camigwen schon auf sie warteten. Neben ihnen stand ein junger Faradhi , den sie als Meath vorstellten.
»Wenn es Eurer Hoheit genehm ist, begleite ich Euch heute«, sagte er und verneigte sich so elegant vor ihr wie ihr Gemahl.
»Das ist sehr freundlich von Euch«, antwortete Tobin. »Ihr könnt die Pakete tragen.«
Meath seufzte. »Genau das hatte auch Cami im Sinn, Euer Gnaden.«
»Ich fände es schöner, wenn Ihr mich beim Namen nennen würdet. Und vergesst diesen Unsinn mit den Titeln«, meinte Tobin, als sie sich auf den Weg machten.
»Danke«, sagte Camigwen schüchtern. »Meine Freunde nennen mich Cami, und wenn Sioned nicht verspricht, auch etwas Hübsches für sich selbst zu kaufen, dann verrate ich Euch, wie sie als Kind genannt wurde!«
»Untersteh dich!«, protestierte Sioned, und ihre Augen tanzten. »Und außerdem, vergiss nicht, was ich alles über dich weiß! Ich werde jeden Kupfertaler ausgeben, den ich besitze. Ich war doch noch nie auf einem Rialla -Markt. Gibt es dort wirklich alles, was man uns erzählt hat, Eu-Tobin?«, verbesserte sie sich lächelnd.
»Und noch mehr«, versprach Tobin. Sie gesellten sich zu der Menschenschlange, die darauf wartete, die Brücke zum Markt zu überqueren. Ein Stück flussaufwärts schaukelte die Barke des Hoheprinzen sanft auf dem Wasser, die violetten Segel fest um die Masten gewickelt. Tobin wandte den Blick ab, entschlossen, sich diesen Morgen nicht durch politische Gedanken verderben zu lassen. Schließlich war heute der erste Tag des Rialla . »Haltet doch bitte die Augen offen nach Dingen, die meinen Söhnen gefallen könnten. Wir treiben zwar blühenden Handel in Burg Radzyn, aber heute möchte ich etwas Besonderes für sie finden.«
Meath war dafür, sich gewaltsam einen Weg durch die Menge zu bahnen bis in die erste Reihe, aber Tobin erklärte, dass heute alle denselben Rang innehätten. Dadurch sollte vermieden werden, dass man Zeit mit albernen Fragen bezüglich Ehre und Prestige vergeudete. Davon gab es noch mehr als genug bei den offizielleren Anlässen, und es hatte bei einem Ausflug auf den Jahrmarkt gewiss nichts zu suchen. Als sie die Brücke überquerten, blickte Camigwen grimmig geradeaus. Tobin bemerkte es und lächelte.
»Sogar der Anblick von Wasser ist schon hart, hm?«
»Ich kann nicht einmal zusehen, wie sich die Wellen an den Klippen brechen, ohne dass mir übel wird.«
»Wie ist das mit dir, Sioned?«
»Sie würde das niemals zugeben«, gluckste Meath.
»Ich war daran gewöhnt, ehe ich mein Heim verließ«, erzählte sie. »Die Burg meines Vaters heißt River Run, das heißt also, dass ich mein ganzes Leben am Wasser verbracht habe.«
Tobin zog für den Bruchteil einer Sekunde die Brauen hoch. River Run gehörte der Familie der Prinzen von Syr; Sioneds Blut war demnach besser, als Tobin vermutet hatte. Nicht, dass es für sie wichtig gewesen wäre, aber eine Braut mit Verbindung zum Adel war besser als eine ohne, was die Vasallen anging. Sie nahm sich vor, dieses Wissen zu verbreiten, und fragte sich, warum Rohan oder Andrade es nicht schon getan hatten.
Meath musste tatsächlich mehr und mehr die Rolle eines Packesels übernehmen. Der Markt war eine Schatzkammer, angehäuft mit Gütern aus aller Herren Länder, und Tobin konnte gar nicht schnell genug einkaufen. Camigwen fügte seiner Last auch noch einiges hinzu. Nadeln, Stickgarne, Kerzen, Töpferwaren, geschnitzte Kästchen, Fironeser Kristall, bemalte Zinndöschen mit Taze-Gewürzen – unbekümmert gaben die beiden Frauen das Geld aus, ließen
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