Sonnenlaeufer
zwei Handbreit hoch, und es waren ausgezeichnete Kunstwerke. Tobin wusste, die Zwillinge würden verrückt danach sein. »Und noch dazu in Chays Farben! Danke, dass du die gefunden hast, Sioned!« Dann, nach einem Blick auf den Spielzeugmacher, der in ihrem Lob schwelgte, fragte sie: »Was verlangt Ihr dafür?«
Während sie feilschten, nahm Sioned ein anderes Spielzeug auf. Tobin beobachtete aus den Augenwinkeln, wie sie eine glasierte Tonpuppe bewunderte, die nach der neuesten Mode gekleidet war. Große blaue Augen blitzten in einem reizenden kleinen Gesicht, das von Haar aus feinen Seidenfäden gekrönt wurde, das zu goldenen Zöpfen geflochten war. »Ich wünschte, ich würde jemanden kennen, der eine kleine Tochter hat«, murmelte Sioned traurig.
»Du könntest bald eine haben«, bemerkte Tobin ebenso leise.
»Ein sehr guter Preis, meine Dame«, erklärte der Spielzeugmacher, der einen weiteren Handel witterte. »Das Entzücken jedes Kindes – und sie bekommt noch ein weiteres Kleid. Seht Ihr?« Er holte ein Kistchen hervor und zeigte ihnen ein Gewand aus rosafarbener Seide, mit Kristallsplittern besetzt. »Seht nur, wie es zu ihrer Halskette passt«, drängte er. »Welche kleine Dame würde nicht eine solche Puppe bewundern? Wenn jetzt noch kein kleiner Liebling in seiner Wiege in Eurer Burg liegt, dann freut Euch auf die Zeit, wenn es so weit sein wird – stellt Euch nur vor, wie sie mit diesem reizenden Spielzeug spielen wird!«
Ein Lächeln zuckte um Sioneds Mundwinkel. Doch noch ehe sie etwas sagen konnte, wurde sie von hinten angerempelt und hätte die Puppe fast fallen gelassen. Sie stieß einen leisen Schrei aus und wandte sich um, die Stirn in zornige Falten gelegt.
»Wie ungeschickt!«, rief eine scharfe Stimme hinter ihr aus. Als Tobin sich mit eisigem Gesicht umwandte, wurde der Ton glatt und süß wie Öl und Honig. »Vergebt mir, Base! Jemand ist in uns hineingelaufen!«
»Es hat ja keinen Schaden gegeben«, erwiderte Tobin und blickte Prinzessin Pandsala direkt in die großen, braunen Augen. »Basen«, fügte sie als beleidigendes Anhängsel für Pandsala und ihre Schwester Ianthe hinzu. Sie hatte beide gestern am Pier kennengelernt und sie vom ersten Augenblick an nicht leiden können. Eine von ihnen mit Rohan verheiratet – undenkbar!
»Wie klug von dir, deine Kammerfrau mitzubringen, damit sie dir helfen kann«, erklärte Ianthe mit einem kurzen Blick auf Sioned. »Sala und ich wollten eigentlich nur schauen, aber wir haben so viele hübsche Sachen gesehen, und nun müssen wir all unsere Pakete selbst tragen.«
Tobins Rückgrat versteifte sich, aber ihre Stimme klang ebenso süß wie Ianthes. »Ich weiß zwar, wie abgeschieden ihr all die Jahre in der Felsenburg gehaust habt, aber ihr werdet doch gewiss die Ringe einer Faradhi erkennen. Erlaubt mir, euch mit Lady Sioned bekannt zu machen.«
»Oh, ich bitte um Vergebung«, meinte Ianthe. »Ihre Finger waren in den Kleidern der Puppe verborgen.«
Das entsprach allerdings nicht der Wahrheit, stellte Tobin fest, als sie sie vorstellte; der Smaragd war deutlich zu sehen und blitzte an Sioneds Finger. Die Lichtläuferin hatte ihre Haltung zurückgewonnen, und ein kleines Lächeln lag um ihren Mund, in ihren grünen Augen jedoch schimmerte ein gefährliches Licht.
Tobin fuhr fort: »Wir haben gerade Geschenke für ein paar Kinder ausgesucht. Vielleicht könntet Ihr uns beraten, da Ihr ja von so vielen kleinen Schwestern umgeben seid. Zweifellos seid Ihr daran gewöhnt, mit deren Sachen zu spielen – um ihnen Freude zu machen, natürlich.«
Die Spitze traf offensichtlich mit Wucht, aber Ianthe überging sie mit einem taktischen Manöver. »Sioned?«, fragte sie. »Oh, natürlich – die Lichtläuferin, die Lady Andrade Prinz Rohan als Braut vorgeschlagen hat. Das ist doch das Gesprächsthema Nr. 1 hier beim Rialla .«
Pandsala stieß ihre Schwester an. »Ianthe, du bringst sie in Verlegenheit.«
»Aber überhaupt nicht«, widersprach Sioned kühl. »Einige mögen uns ja für ein gutes Paar halten, ich aber nicht. Prinzessin Tobin hat sich hervorragend für ihren Bruder eingesetzt, aber ich finde ihn ein wenig …« Sie schloss mit einem leichten Achselzucken, das alles bedeuten konnte.
Tobin bewunderte ihren Überlebensinstinkt und eilte ihr dennoch entschlossen zu Hilfe: »So sind die Männer! Eine Frau ist nötig, um sie Klugheit zu lehren – und du bist genau die richtige dafür, Sioned. Aber ich sollte wirklich nicht über Dinge
Weitere Kostenlose Bücher