Sonnenlaeufer
aber sie will ihn trotzdem genauso haben. Ich würde jedoch auf Sala setzen.«
»Sie könnte es übertreiben.«
»Sie ist nicht dumm, Mylord. Und Ianthe sieht man ihre Klugheit zu sehr an – Rohan ist zu jung, um Intelligenz bei einer Gattin zu schätzen.« Ein kunstvolles Nachtgewand verhüllte ihren unförmigen Leib zum Großteil, aber ihre Finger waren nackt, nachdem sie die Ringe nicht mehr aufstecken konnte, und die Armbänder um ihre Handgelenke schnitten in das aufgeschwollene Fleisch. Sie schenkte ihm ein verführerisches Lächeln auf einem noch immer hübschen Gesicht, und einen Moment spielte er mit dem Gedanken an das Vergnügen, das sie ihm selbst in diesem Zustand noch schenken konnte. Aber er ertappte sich dabei, dass er stattdessen an ein schlankes Mädchen mit rotem Haar und brauner Haut dachte, an ein Mädchen, das er noch nicht einmal gesehen hatte. Doch er beabsichtigte, das bald zu ändern. »Bleibt Ihr heute Nacht bei mir, Herr?«, lud Palila ihn ein.
»Ich habe andere Dinge, um die ich mich kümmern muss, sonst würde ich die ganze Nacht bleiben«, log er lächelnd. Er ging auf die Tür zu, wandte sich aber schließlich noch einmal um. »Warum Pandsala?«
»Warum nicht?«
»Früher hast du Ianthe den Vorzug gegeben.«
»Ich habe meine Meinung geändert, nachdem ich Rohan gesehen habe.«
»Du könntest recht haben, meine Liebe. Schlaf gut.«
Kapitel 12
Am nächsten Tag war Rohan es bereits gründlich leid, für Roelstra den naiven Prinzen zu spielen. Er lehnte sich gegen diese Rolle auf, und die Tatsache, dass er sie sich selbst auferlegt hatte, trug auch nicht dazu bei, seine Laune zu verbessern. Sein Plan, der ihm zu Beginn des Sommers so klug erschienen war, bedeutete jetzt eine größere Belastung, als er jemals für möglich gehalten hätte – und das lag nicht nur daran, dass er unerwartet Sioned als Zugabe zu seinen Plänen erhalten hatte. Der Plan war von einem Prinzen in Wartestellung ausgeheckt worden, von einem Knaben, der sein ganzes Leben damit verbracht hatte, nicht aufzufallen (was angesichts der übermächtigen Präsenz seines Vaters nicht sehr schwierig gewesen war), einem Knaben, der zugehört und alles gelernt hatte, was er konnte, und das von jedem, der seinen Weg kreuzte. Den Hoheprinzen zum Narren zu halten – das war ihm zuvor nur wie eine vorübergehend notwendige Verlängerung dieser Jahre der Täuschung erschienen.
Aber zwischen der Planung und dieser Zeit der Verstellung hatte er die Macht kennengelernt. Er hatte den Drachen getötet, der seinen Vater umgebracht hatte, und dadurch hatte er seine Geschicklichkeit und seinen Mut in einem tödlichen Kampf erfahren. Die Begegnung mit Sioned hatte ihm eine andere Art von Macht gezeigt – das FEUER , das sie zusammenkettete und das in der Lage war, seine Seele zu verbrennen. Er hatte den Vorsitz gehabt bei der Verbrennung seines Vaters und bei dem Bankett in der Großen Halle. Er herrschte über seine Vasallen, und das alles hatte in ihm Gefallen daran erweckt, Herr der Wüste zu sein – und es war ihm zu Kopf gestiegen. Er musste sich auch eingestehen, dass er seit der Abreise aus Stronghold eine Freiheit kennengelernt hatte, wie er sie niemals zuvor erlebt hatte. Den Blicken seiner Eltern entzogen hatte er die gesamte Gesellschaft befehligt. Alle Entscheidungen oblagen jetzt ihm – nein, es war nicht einfach, die Rolle des Idioten zu spielen, nachdem er wusste, dass er die Stellung verdiente, die er hier aber nicht öffentlich beanspruchen wollte.
Er gab vor, sich vom Rat seiner Vasallen leiten zu lassen, und es war nur gut, dass ihre Vorschläge klug waren; so musste er ihnen nicht widersprechen, was den so schwer erworbenen Eindruck zunichtegemacht hätte. Die anderen Prinzen waren der festen Überzeugung, er könnte wie ein Lamm gelenkt werden. Aber die Spannung zerrte an seinen Nerven.
Roelstra spielte ständig auf seine Töchter an, was nur noch zu Rohans Unwohlsein beitrug. Lenala und Naydra waren dabei gewesen, als Rohan zur morgendlichen Versammlung in Roelstras Zelt eingetroffen war. Sie hatten ihm Wein eingeschenkt und ihn dabei aufs Peinlichste betrachtet. Die anderen Prinzen zwinkerten sich zu und stießen einander an. Zur Pause am späten Vormittag waren Ianthe und Gevina aufgetaucht und hatten Erfrischungen gebracht; das neuerliche Grinsen und Anstoßen hatte Rohan bis über die Ohren erröten lassen. Wenigstens trug das zu seiner Verkleidung als Dummkopf bei, tröstete er sich
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