Sonnenlaeufer
freundlich wäret. In gewisser Weise sind wir beide jetzt dafür zuständig, über den Kontinent zu wachen.«
»Ich beneide Euch nicht um Eure Aufgabe, Grenzansprüche zu klären.«
Der Schatten eines Lächelns zeigte sich auf seiner Miene, und die Konturen seines Gesichtes wirkten milder im dämmrigen Abendlicht. »Ich bin dankbar dafür, dass meine Insel wirklich eine Insel ist – und ganz mir gehört.«
»Kierst-Isel wird ein Problem«, pflichtete sie ihm bei. »Wenn Ihr wünscht, lasse ich meine Leute die Aufzeichnungen in der Schule der Göttin durchsehen und alles, was von Interesse ist, Eurem Lichtläufer übermitteln.«
»Meinen Dank. Aber ich gebe Eolie, dem armen Kind, mit der Suche nach den besten Fischereigewässern und Muschelbänken, mit der Warnung vor Stürmen und Ähnlichem genug zu tun.«
»Und damit, allem auf der Spur zu bleiben, was die anderen vorhaben«, schloss Andrade trocken. »Ich vermute, Ihr spielt auf einen weiteren Faradhi an. Wie wäre es mit Meath? Das ist der große Jüngling in meiner Gesellschaft, der aussieht, als könnte er einen Pflugelch mit bloßen Händen erwürgen.«
»Ich wäre zutiefst dankbar. Natürlich wird es ihm nicht sonderlich gefallen, das Wasser überqueren zu müssen – aber ich stelle ihm eine eigene Kabine und seinen eigenen Eimer zur Verfügung.« Lleyn grinste boshaft.
»Zu freundlich!« Andrade sah sich in der zunehmenden Dunkelheit um. Fackeln, von Cluthas Hof-Lichtläufer entzündet, bildeten eine Doppelreihe aus Feuer, das zu dem gigantischen Zelt auf der Kuppe des Hügels hinaufführte. »So, wie das hier aussieht, werdet Ihr Prinzen von Fanfaren zum Dinner gerufen. Ich werde einen Stuhl für Euch reservieren.«
Clutha und Jervis wurden von Jahr zu Jahr ehrgeiziger, was die Wunder anging, die das Bankett des Letzten Tages begleiteten. Andrade als Herrin der Schule der Göttin hatte den Vorrang vor allen anderen und betrat das Zelt als Erste, um sich den besten Platz am besten Tisch auszuwählen. Die Folge davon war, dass die anderen ihr angekündigt wurden – eine Belustigung, die sie heute mehr genoss als gewöhnlich.
Ein Staatsbankett für fünfzig Personen war niemals leicht zu arrangieren, besonders da alle Anwesenden an Pracht gewöhnt waren. Beim Rialla erwarteten sie noch größeren Prunk, was eine Herausforderung für die vereinten Haushalte des Prinzen aus Meadowlord und des Lords von Waes darstellte. Von einem einfachen Mahl im Freien, um die erfolgreiche Beendigung des Rialla s zu feiern, hatten sich die Feierlichkeiten des Letzten Tages im Laufe der Jahre zu einem Schauplatz kulinarischer Künstler gewandelt, und jetzt handelte es sich um eine Vollzeitbeschäftigung für eine Reihe von Meistern, die über die Ressourcen eines Prinzenreichs befehligten. Andrade, die schon seit langem an die Zurschaustellung von Reichtümern gewöhnt war, hielt sich selbst für recht abgehärtet derartigen Spektakeln gegenüber. Doch als sie unter Verneigungen in das grüne Zelt geleitet wurde, kam dennoch ein Ausruf reinsten Entzückens über ihre Lippen.
Ein Dutzend runder Tische war kunstvoll um einen tiefgrünen Teppich angeordnet, der so dick war, dass er sich unter den Füßen wie Frühlingsgras anfühlte. In jeder Ecke des Zeltes ergossen sich Wasserfälle über Felsblöcke, was nicht nur der Schönheit zugutekam, sondern auch für die Kühlung der Tafelnden sorgte, wenn die Fackeln erst entzündet waren. Die äußere Eingrenzung bildeten Farne, Blumen und Bäume in großen Silberkübeln; Grünpflanzen hingen aus dem Lattengerüst unter der Decke und waren mit weiteren Blüten geschmückt. Der ganze Raum wirkte lebendig.
Doch die wahren Wunder waren die riesigen Skulpturen, die das Zelt umstanden. Eine jede war eine getreue Reproduktion des Wohnsitzes eines Prinzen. Da waren Rohans Stronghold, Roelstras Felsenburg, Vissarions Summer River, Lleyns Greypearl und all die anderen. Andrade war überrascht und geschmeichelt, auch ein Abbild der Schule der Göttin vorzufinden. Die Bilder waren aus flüssigem Zucker geformt und mit Essenzen aus einer Vielzahl von Kräutern und Blumen eingefärbt worden; Meister der Zuckerbäckerkunst hatten die blaugrauen Wellen unterhalb von Andrades Burg reproduziert, den feinen, goldenen Sand, der Stronghold umgab, die riesigen Lustgärten von Vologs New Raetia in all ihren leuchtenden Farben. Cluthas Faradhi musste bei der Erschaffung all dieser Meisterwerke geholfen haben, denn niemand, außer einem
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