Sonnenlaeufer
Mondlicht zu einem sicheren Pfad, schwang sich gen Norden, vorbei an dem großen See von Skybowl, der im Mondschein leuchtete. Sie glitt weiter, bis sie die stolzen Türme von Feruche erkannte. Die Garnison unterhalb der Burg war dunkel und verlassen, aber die Fenster des Schlosses waren hell erleuchtet.
Beide Zugänge waren tatsächlich streng bewacht. Es gab keine Schwachstellen. Sie hätte es besser wissen müssen, hätte nicht hoffen sollen, dass Ianthe aus Arroganz leichtsinnig werden würde. Sie hatte gedacht, sie könnte ihre Fähigkeiten ausnutzen, um sich irgendwo heimlich in den Besitz einzuschleichen, um Wachen und Bedienstete mit dem Feuer und der Luft zu täuschen, die sie beschwören konnte, um sie zu erschrecken, bis sie Fehler machten, die es ihr ermöglichen würden, unbemerkt einzudringen. Aber als sie jetzt die Menschen zählte und ihr Tun beobachtete, wusste sie, dass dieser Plan unmöglich war.
Welches Fenster es wohl war, fragte sie sich auf ihrem Platz auf dem Mondlicht. Aber gab es überhaupt ein Fenster dort, wo Rohan schlief? War er hoch oben im Turm oder unten im Steinkeller, ohne Licht? Wut stieg in ihr auf, ihre Beherrschung geriet ins Wanken, und sie brauchte eine Weile, um sich wieder zu fangen.
Sie spähte wahllos in verschiedene Zimmer, sah, wo Bedienstete schliefen und welche Räume leer waren, und berichtigte im Geiste Tilals Karte. Sie konnte nur so weit gehen, wie das Mondlicht in jedes Zimmer fiel, aber das war genug. In einem Raum standen drei reich verzierte Betten, jedes mit einem schlafenden Kind darin. Ianthes Söhne, dachte Sioned, und jedes war genau wie die Mutter, denn selbst im Schlaf waren ihre Gesichter böse und verschlagen. Wie musste Roelstra sie schätzen; selbst ohne Söhne hatte er nun Enkel, die Ianthe in seinem Sinne aufzog.
Sie suchte alle Fenster ab, die dem Mondschein zugewandt waren, und ihre Angst wuchs, Rohan könnte tatsächlich in irgendeinem Verlies im Keller oder in einem Raum auf der anderen Seite der Türme eingesperrt sein, irgendwo, wohin sie nicht gehen konnte. Doch endlich fand sie ihn. Rohan !, schrie sie. Aber niemand hörte sie.
Sein schlafendes Gesicht war von Schmerz und Fieber verwüstet, tiefe Ringe lagen um die geschlossenen Augen. Die feinen, kräftigen Wangenknochen und das Kinn zeichneten sich scharf ab, sein Mund war eine angespannte, erschöpfte Linie. Ein dunkles Seidentuch war bis zur Taille herabgeschoben worden, und als er sich unruhig auf die Seite warf, sah sie den Verband an seiner Schulter. Seine Haut glänzte feucht, und auch sein Haar war schweißnass. Er befand sich außerhalb der Reichweite des Mondscheins, der auf den Teppich neben dem Bett fiel, aber weder seinen Körper noch sein Gesicht berührte. Wäre das der Fall gewesen, hätte sie ihn vielleicht berühren können, jenen Teil von ihm, der Spuren der Faradhi -Gabe verbarg. Aber sie konnte es nicht.
Jemand bewegte sich im Licht, ein kurvenreicher Umriss, die Nacktheit von einer Kaskade dunklen Haares halb verborgen, das bis zu den Hüften hinabreichte. Sioned zitterte und fühlte, wie sich ihre Ringe in die verkrampften Finger bohrten, dort, wo ihr Körper in Stronghold saß. Ianthe wand sich unter dem Laken und glitt dicht an Rohans Körper. Sie legte eine Hand auf jede Seite von ihm, schüttelte ihr Haar, bis es seine bloße Brust und seinen Bauch bedeckte, und neigte dann langsam den Kopf zu seinem.
» Nein !«
Der Aufschrei ihrer eigenen Stimme ließ Sioned zu abrupt in ihren Körper zurückfahren. Farben wirbelten wirr und chaotisch um sie herum und weigerten sich, ihr vertrautes Muster zu bilden. Ihre Ringe spien smaragdgrünes, saphirblaues, bernsteingelbes und onyxfarbenes Feuer in ihre schmerzenden Augen und wurden zu brennenden Kreisen, die ihr Fleisch in Brand setzten. Der große Smaragd pulsierte, als wollte er sich bis zum Bersten mit Licht anfüllen. Er schwoll an und wurde zu einem einzigen Ding, wie sie sah, und ließ sie in seine grünen Tiefen eintauchen, als sie vor Entsetzen laut aufschluchzte.
Aber in dem strahlenden Stein sah sie sich selbst wieder, brennend von ihrem eigenen Feuer hielt sie ein neugeborenes Kind in den Armen, das Rohans goldblondes Haar hatte.
Rohans Sohn. Und Ianthes Sohn.
Lange Zeit danach, als sie sich wieder daran erinnerte, wer und was sie war, hob sie die Hände. Ihre Haut wies unter den Ringen keine verkohlten Kreise auf. Kühles Silber und Gold umfingen ihre Finger und hielten sie zum Narren. Sie war
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