Sonnenlaeufer
Freiheit verschaffen«, erklärte die Prinzessin. »Lyells Männer werden die Tochter meines Vaters nicht an der Flucht aus der Schule hindern.«
Urival sog scharf die Luft ein, und Andrade verfluchte sich, weil sie nicht schon früher an Pandsala gedacht hatte. Misstrauen zuckte durch ihren Geist, aber sie ließ Urival ihre Bedenken aussprechen.
»Ist dies eine Flucht zu unserem Wohle – oder zu deinem?«, erkundigte er sich kalt.
»Ich verstehe Euer Zögern«, antwortete Pandsala. »Es ist wahr, ich wäre lieber draußen in der Welt. Aber ich hatte schon früher Gelegenheiten, von hier fortzugehen, und habe sie nicht wahrgenommen. Glaubt Ihr, ich würde meinem Vater helfen, der mich gegen meinen Willen hierhergeschickt hat? Er hat mich ausgestoßen. Ihr habt mich aufgenommen. Ich trage drei Faradhi -Ringe. Wenn Ihr mir nicht traut, dann benutzt mich nicht.«
Urival hätte sie gerne noch weiter befragt, aber ihre würdevolle Antwort hatte Andrade beeindruckt. Sie bedeutete ihrem Präfekten zu schweigen und sagte: »Was schlägst du vor?«
Die Prinzessin verschränkte die Hände vor sich, nicht ganz fest genug, um ihr aufgeregtes Zittern zu verbergen. »In der Dämmerung, wenn das Licht unbestimmt ist und Fackeln benötigt werden, werde ich mit denen, die Ihr auswählt, durch das Seitentor hinausgehen. Wenn wir in Reichweite von Lord Lyells Lager sind, müsst Ihr hier mit einem Aufschrei den Eindruck stärken, dass ich mit meinen Freunden entflohen bin.«
»Und dann?«, bohrte Urival, noch immer misstrauisch.
»Ich bin eine verängstigte Prinzessin«, fuhr Pandsala mit dem Anflug eines Lächelns fort. »Ich werde Wachen verlangen, die mich zum Lager meines Vaters in Syr geleiten. Lord Lyells Truppen um zehn oder zwölf Krieger zu verringern ist zwar nicht viel, aber es könnte eine kleine Hilfe sein. Und außerdem müsste mindestens ein Mann, wahrscheinlich sogar zwei nach Waes reiten, um Seine Lordschaft von meiner Tat zu unterrichten. Wenn wir Glück haben, können wir fünfzehn Mann von der Schule der Göttin abziehen.«
»Fünfzehn oder fünfzig«, grübelte Urival.
»Und ich werde darauf bestehen, dass mich nur die allerbesten Kämpfer begleiten«, fügte Pandsala raffiniert hinzu. »Das ist schließlich mein gutes Recht.«
Andrade nickte langsam. »Sehr gut. Urival, Pandsala, kommt mit in mein Zimmer. Ihr anderen – schlaft Euch heute Nacht aus, denn morgen gibt es viel für Euch zu tun.«
Als sie den langen Gang zwischen den Tischen hindurchschritt, schlossen sich Urival und Pandsala ihr an. Andrades Blick wanderte zu Chiana – die plötzlich ihrem Vater viel ähnlicher sah, als es für Andrades Seelenfrieden gut war.
»Wenn Rohan diesen Ort noch nutzen will, wenn das alles vorbei ist, dann können wir hier nicht länger lagern.« Chay wandte sich vom Fenster ab und seiner Frau zu, die ihre schmutzigen Reitkleider gegen saubere auswechselte. Er sah sie mit gerunzelter Stirn an. »Tobin, ich wünsche, dass du hier auf dem Gut für Ordnung sorgst. Du wirst nicht mit mir in den Krieg ziehen.«
»Versuch nur, mich aufzuhalten«, erklärte sie und zog ihre Stiefel an. »Du bist der Befehlshaber des Militärs, aber ich bin die Tochter meines Vaters. Und bis Rohan und Sioned eintreffen …«
»Was ist nur in diese Frau gefahren, Stronghold zu verlassen?«, brummte er und ging so voller Aufregung im Zimmer auf und ab, wie er es niemandem sonst gezeigt hätte. »Von allen dummen …«
»Aber begreifst du denn nicht?«, rief Tobin aus. »Niemand außer Sioned kann Rohan helfen!«
»So viel habe ich schon begriffen, danke«, fuhr er sie an. »Aber ich behaupte immer noch, dass mit einer kleinen Truppe …«
»Du vergisst, wie Feruche gebaut ist. Und auch, was Sioned kann.« Tobin stand auf und stampfte mit den Füßen auf, damit die Stiefel richtig saßen. »Hast du etwa erwartet, sie würde hier sitzen und darauf warten, dass wir kommen und ihr ihren Plan ausreden? Im Namen der Göttin, wie sehr wünschte ich, eine echte Lichtläuferin zu sein! Wir haben niemanden, der sie oder Andrade oder irgendwen sonst kontaktieren kann!« Sie stopfte sich die Bluse in die Hose und fuhr fort: »Lass uns reiten, Chay. Ich möchte mir die Vorkehrungen im Feldlager ansehen. Und außerdem hast du recht, was den Umzug angeht. Lord Baisal kann hier nicht länger alle ernähren.«
Unten im Hof hatte das Eintreffen von Chays Truppen das Chaos nur noch verstärkt. Pferde, Fußsoldaten, Bogenschützen, Schwertkämpfer –
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