Sonnenlaeufer
und Lord Baisals gesamte Diener – schwärmten ohne erkennbare Ordnung durcheinander. Chay war zuversichtlich, dass sein Hauptmann bis zum Anbruch der Nacht alles in Ordnung gebracht haben würde, und so bestiegen er und Tobin ihre Pferde und ritten zu Lord Davvi ans Tor.
»Ich habe getan, was ich konnte«, erzählte Sioneds Bruder ihnen. »Aber ich verfüge hier nicht über wirkliche Autorität, außer bei meinen eigenen Leuten. Ich bin froh, dass Ihr hier seid, Herr.«
»Titel sind in der Öffentlichkeit ja schön und gut – aber bitte, nenn mich Chay. In gewisser Weise sind wir schließlich Brüder, nicht wahr?«
Tobin unterdrückte ein amüsiertes Grinsen, als das Lächeln ihres Gatten die übliche Wirkung zeigte. Mit nur zwei Sätzen hatte er Davvi zu seinem Gefolgsmann gemacht, der in jede Schlacht ziehen würde, die Chay austragen wollte.
»Danke«, entgegnete Davvi einfach. »Wir werden jetzt das Lager besichtigen, und ich …«
Er wurde durch einen schrillen Schrei hinter ihnen unterbrochen. Ihr Instinkt als Eltern ließ Tobin und Chay in Sekundenbruchteilen von ihren Pferden springen. Beide hörten deutlich das Drängen in Sorins Stimme. Chay bahnte ihnen einen Weg zu der Ecke des Hofes, wo die Zwillinge ihre Pferde striegelten. Sorin rannte zu seinem Vater und klammerte sich erschrocken an dessen Arm. Andry stand in einem Brunnen aus Sonnenlicht, starr und bebend, die blauen Augen weit aufgerissen.
Tobin kniete neben Andry nieder. Als sie das Sonnenlicht mit ihm teilte, spürte sie, wie sie es erwartet hatte, die betäubende Berührung einer mächtigen Faradhi . Aber es war nicht Sioned, die sie auf dem Sonnenlicht fühlte. Es war Andrade.
Tobin? Gütige Göttin, Mädchen, warum hast du mir nicht erzählt, dass der Knabe so talentiert ist? Nun, das ist jetzt nicht wichtig. Dieser junge Idiot Lyell aus Waes versucht, die Torte zu schützen, die er selbst verspeist. Er hilft dem Lord seiner toten Schwester in Tiglath und marschiert außerdem mit seinen Truppen hierher, um mich festzuhalten, während Roelstra und Jastri im Süden Unheil anrichten. Urival und ich arbeiten daran, aber ich bin nicht sicher, wie wir es schaffen sollen. Ich habe Nachricht an jeden Hof gesandt, wo meine Lichtläufer nicht vom Licht ausgeschlossen sind – ich glaube sicher, das war ein Befehl von Roelstra an jene, die er unter seiner Knute hat. Dazu zählen wohl auch Syr und Cunaxa – in der Hoffnung, nach dem Merida-Krieg Anteile an der Wüste zu bekommen. Saumer aus Isel insgeheim wohl auch, Volog aus Kierst sagt, es gehen Gerüchte über Handelsabkommen. Waes spielt ein Doppelspiel, und ich bin sicher, Clutha hat Anfälle und könnte Lyell dazu bringen, sich einzureihen. Trauen kann man wohl nur Lleyn, und vielleicht Pimantal aus Fessenden, denn Roelstra hat ein Auge auf Einar, seine Stadt, geworfen. Erzähl das Sioned, wenn du sie finden kannst, denn ich vermag es nicht. Ich weiß Bescheid über Feruche. Bring Andry nach Stronghold und Sorin mit ihm. Dort ist er in Sicherheit, denn Roelstra wird angreifen, sobald er beschließt, den Abfall von Lord Davvi zu erkennen. Pass auf dich und Chay auf – ich komme, sobald ich kann.
Tobin fühlte, wie kräftige Arme sie hochhoben und aus dem heißen Sonnenschein ins kühle, dunkle Gutshaus trugen. Die Erleichterung hätte sie fast zum Weinen gebracht. Es dauerte lange, bis sie sich von der Dauer und rücksichtslosen Kraft erholt hatte, die in Andrades Berührung gelegen hatte, und als sie wieder bei vollem Bewusstsein war, lag sie im Bett, schlapp vor Erschöpfung und unfähig, einen Streit mit Chay auch nur in Erwägung zu ziehen, als der ihr die Kleider auszog und sie zudeckte.
»Andry?«, murmelte sie.
»Er ist in Ordnung. Sorin hat ihn in den Schatten geführt, und jetzt ruht er sich in seinem Zimmer aus.« Chay saß neben ihr und presste ihre Hand an seine Wange. »Verdammt, Tobin«, murmelte er heiser. »Ich hasse das.« »Mir geht es wieder gut, Lieber«, tröstete sie. »Andrade ist einfach nicht so sanft wie Sioned.« Sie erzählte ihm von den Neuigkeiten, und seine Schultermuskeln arbeiteten unter neuer Spannung.
»Perfekt!«, krächzte er. »Wundervoll! Hilfe von Lleyn und Pimantal und Volog! Inseln zu beiden Seiten der Welt, und ein Prinzenreich, das ebenso gut auch dort liegen könnte! Wo soll denn da die Hilfe sein?«
»Die anderen haben sich entweder mit Roelstra verbündet, oder sie haben Angst vor ihm. Ohne ein einziges Rialla in den vergangenen sechs
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