Sonnenlaeufer
Jahren, wo doch so viel auf dem Spiel steht jetzt …«
Grimmige Entschlossenheit sprach aus seinen grauen Augen und dem vorgereckten Kinn. »Roelstra wird weder in diesem noch in irgendeinem anderen Jahr am Rialla teilnehmen«, erklärte er ruhig.
Tobin sah ihn gehen, und erst als er fort war, erschauderte sie. Nie zuvor hatte sie Mordlust in seinem Blick gesehen.
Der Bericht von Chays Hauptmann am nächsten Morgen machte Davvi nicht gerade Mut, und das sagte er auch. »Einhundertdreiundsechzig Pferde, einhundertfünf Bogenschützen – und nicht annähernd genug ausgebildete Soldaten.« Er blickte Chay aus besorgten grünen Augen an. »Wenn wir dann noch diejenigen zählen, die zwar eine Sense, aber kein Schwert führen können …«
»Bist du jemals von einem Mann mit einer Sense angegriffen worden, Davvi? Einem Mann mit den Muskeln eines Mähers, der nichts anderes im Sinn hat, als dir den Kopf abzuschlagen wie einen Getreidehalm?« Chay lächelte schmallippig. »Wir schaffen das prima. Zweihundertsechsunddreißig Schwerter und Sensen. Zu Pferde sind deine Leute die bestausgebildeten …«
»Abgesehen von deinen eigenen«, unterbrach Davvi ihn trocken, und Chay zuckte mit den Schultern. »Von denen, die Lord Baisal mitgebracht hat …«
»Ja, aber die haben diesen bestimmten Ausdruck in den Augen. Es sind ihre eigenen Felder, die sie verteidigen. Wenn du mir einen Gefallen tun willst, dann hilf mir bitte bei den Plänen für die Verlegung. Wir werden morgen ein neues Lager aufschlagen. Der Kampf für das eigene Land ist ein ungeheurer Antrieb, aber der Kampf darauf macht die Leute nervös.«
Das hatte Chay von Zehava gelernt. Als er jetzt nach oben zu seiner Frau ging, verspürte er flüchtig den Wunsch, dass der alte Prinz hier wäre, um diese Schlacht zu leiten. Oder, noch besser, es würde überhaupt keine Schlacht geben. Feine Gedanken für einen alten Krieger, sagte er sich mürrisch. Rohan hatte ihn tatsächlich mit seinen Friedensplänen angesteckt, und Chay vermutete, dass man sich von dieser ›Krankheit‹ nicht erholte, wenn sie sich erst einmal im Blut und im Gehirn breitgemacht hatte. Aber man wollte es wohl auch nicht.
Tobin hatte den Vormittag mit Arbeit im Gutshaus verbracht und Baisals tüchtige, aber verwirrte Bedienstete in eine effiziente Kriegsmaschine verwandelt. Aber am späten Vormittag suchte sie freiwillig wieder ihr Bett auf, um sich auszuruhen. Der Kontakt mit Andrade hatte sie mehr erschöpft, als sie gedacht hatte. Chay beobachtete sie eine Weile. Er war erleichtert darüber, dass wieder Farbe in ihre Wangen zurückgekehrt und dass ihr Schlaf tief und ruhig war. Sie war jetzt schöner als am Tag ihrer Hochzeit – geistreicher und mit königlicher Haltung. Die Tochter des Drachen war ruhiger geworden, aber sie war nie gezähmt worden. Er strich ihr das schwarze Haar von den Schultern und küsste sie auf die Stirn. Dann verließ er sie, um den Geruch der morgendlichen Arbeit abzuwaschen.
Als sie erwachte, war er sauber und frisch gekleidet und saß an einem kleinen Tisch beim Essen. »Komm und iss«, lud er sie ein.
Sie reckte sich, gähnte und gesellte sich zu ihm – nackt, wie neugeboren. »Ach, wer außer dir kann mich schon sehen?«, meinte sie achselzuckend als Antwort auf seine hochgezogenen Brauen. »Und du bist daran gewöhnt. Es ist zu heiß für Kleider, Chay.«
»Mein schamloser Liebling, wenn ich einmal an deinen Anblick gewöhnt sein sollte, dann nur, falls ich blind geworden bin – und selbst dann würden meine Finger dich ansehen. Hier, iss ein wenig Käse. Der ist recht gut. Ich frage mich, womit die ihre Ziegen füttern.«
»Hat Roelstra schon etwas unternommen?«, wollte sie wissen, als sie sich setzte.
»Der Wein ist auch nicht schlecht. Ich fürchte, wir werden von Baisals privater Reserve wenig übrig lassen.«
»Sind noch weitere Truppen im Anmarsch? Wie viele haben wir inzwischen?«
»Schon deine Zunge lieber, und leck damit den Löffel ab.«
Sie schnitt ihm eine Grimasse, aber der Hunger war jetzt stärker als ihre Neugier. Nachdem sie sich gründlich über das Essen hergemacht hatte, teilte ihr Chay die Beobachtungen mit, die er an diesem Tag gemacht hatte. Er wollte ihre Meinung dazu hören. Er würde sie vermissen, überlegte er, wenn sie nach Stronghold abgereist sein würde. Aber ihre Sicherheit und die ihrer Söhne waren wichtiger.
Ihre Sprösslinge hatten sich rundheraus geweigert, in Burg Radzyn zu bleiben, und erklärt, wenn ihre
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