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Sonnenlaeufer

Sonnenlaeufer

Titel: Sonnenlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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bisher gezögert. Aber heute wird das Sonnenlicht erzittern. Die Faradhi’im stellen sich auf die Seite der Wüste, ihres Prinzen und ihrer Armeen.«
    »Bitte überlegt es Euch nochmals, Herrin«, antwortete er sehr förmlich, und das verriet sein ungutes Gefühl deutlicher, als wenn er ihr einhundert Gründe entgegengeschleudert hätte, die gegen ihre Entscheidung sprachen.
    »Ich bin im Recht. Roelstra hat die Faradhi’im vom Licht ausgeschlossen. Dafür allein verdient er, was wir mit ihm tun werden.«
    »Seinen Tod?«, erkundigte sich Urival.
    »Wir sind keine Mörder.«
    »Auch keine Henker?«, drängte er.
    »Nein«, sagte Andrade und bereute zum ersten Mal in ihrem Leben die zehn Ringe an ihren Fingern, die Armbänder und Ketten, die sie alle und auch Andrade an die alten Schwüre banden. »Nein«, wiederholte sie. »Niemals.«
    Sioned hatte sich an die Dunkelheit gewöhnt. Kein Lichtstrahl war erlaubt, nicht einmal eine Kerze. Sie hatte keine Möglichkeit, festzustellen, wie viel Zeit vergangen war. Mahlzeiten wurden ihr in unregelmäßigen Abständen gebracht – wie auch Männer, die von einer Dunkelheit waren, die sie schmecken und riechen, aber auch fühlen konnte.
    Sie war nicht in der Lage gewesen, Maetas Information nachzuprüfen, was den verborgenen Eingang nach Feruche anging; obwohl sie die meisten Wachposten gespürt hatte und ahnte, wann sie sich ablösten, hatte einer sie erwischt. Es war ihre eigene Schuld gewesen, sie wusste es, denn in ihrem Eifer war sie leichtsinnig gewesen. Und jetzt saß sie hier in dieser schwarzen Zelle, allein.
    Es war das Fehlen von Farben, das sie am meisten beunruhigte. Dass ein Lichtläufer vom Licht ausgesperrt war, widersprach seiner Natur, aber ihre Panik hatte nicht lange vorgehalten. Die stickige Hitze machte ihr nach einem Tag ungefähr auch nichts mehr aus. Aber sie vermisste die Farben. Sie verbrachte ihre Zeit damit, sich jede einzelne ins Gedächtnis zu rufen: nicht die Gesichter, Landschaften und Horizonte, die sie formten – sie wollte sie nur fühlen und wollte sie in der Dunkelheit um sich her zusammenziehen. Für sie bedeuteten sie Leben, das Spektrum, das die Welt ausmachte, die sie als Faradhi berührte. Aber ohne Licht konnte sie sie nicht fühlen. Sie hatten keine Substanz.
    Sie vergeudete ihre Energie nicht damit, sehr oft Feuer zu beschwören. Es tat an den Augen weh, und die Farben der Flamme wüteten auf Grund ihres inneren Aufruhrs, auf Grund ihrer Angst. Und was hatte es überhaupt für einen Sinn? Sie wusste, dass sie nicht ewig hierbleiben würde.
    Das Quietschen von Angeln ein paar Augenblicke, ehe eine Fackel rotgoldenes Licht in die Zelle warf, ließ sie aufhorchen. Sie bedeckte ihr Gesicht und wandte sich ab, um ihre Augen zu schonen, die angesichts des Lichtes anfingen, zu tränen und zu brennen.
    »Die Göttin segne dich, Lichtläuferin«, grüßte Ianthe spöttisch.
    Sioned nahm die Hände von den Wangen, öffnete die Augen einen Spaltbreit und wischte die Tränen fort. Aber noch war sie nicht bereit, Ianthes Blick zu erwidern.
    »Hier«, fuhr diese fort, »deck dich zu. Du siehst schrecklich aus, meine Liebe. Wie Rohan – er hat so viel Angst vor Dranath , dass er kaum etwas isst. Das sieht man, Prinzessin.« Sie lachte. Sioned hielt an sich, um nicht zusammenzufahren, als man ihr Kleider zuwarf.
    Sie konnte ihre Augen jetzt ohne allzu starke Schmerzen öffnen, und nachdem sie die letzten Tränen fortgewischt hatte, sah sie die Prinzessin an. Ianthes Lächeln rief Übelkeit in ihr hervor.
    »Du würdest mich am liebsten umbringen, nicht wahr, Sioned? Fast ebenso gern wie Rohan es täte. Aber ihr seid beide zu feige, um es hier in meinem Schloss zu wagen. Erzähl mir, Lichtläuferin, ist dir dein Leben so teuer, dass du freiwillig all das hier erträgst? Oder liebst du das Leben vielleicht sogar noch mehr, als du mich hasst?« Wieder lachte sie. »Dir scheint da eine Kleinigkeit entgangen zu sein, fürchte ich. Hass geht über alles. Mein Vater versteht das, und ich auch, dank dir und Rohan. Ja, ich sollte dir wirklich meine Dankbarkeit beweisen! Hass ist das Einzige von Bestand. Er hat dich bisher am Leben erhalten, nicht wahr?«
    Ianthe trat einen weiteren Schritt in die Zelle. Der Feuerschein spielte mit ihrem offenen Haar, ihrem Schmuck und dem dunkelroten Gewand. »Aber keiner von euch wird sein Leben riskieren, um seinen Hass auf mich und meinen Vater zu stillen. Sehr praktisch von euch und sehr befriedigend für mich.

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