Sonnenlaeufer
ich weiß, dass das Prinzchen von einer Mauer aus Schwertern und Schilden umgeben sein wird. Also, warum warte ich hier auf meiner Seite des Flusses?«
Er kicherte und trank und überdachte die Tatsache, dass Jastri unbestreitbar über eine besondere Tugend verfügte: Er konnte den besten Syrener Wein liefern. Das war wohl seine einzige Tugend, fügte Roelstra seufzend hinzu, als er draußen vor seinem Zelt neuerlichen Aufruhr vernahm. Ein Knappe trat ein, verneigte sich und bot ein willkommenes Ziel für die schlechte Laune des Hoheprinzen.
»Soll ich denn überhaupt niemals Ruhe haben? Was gibt es jetzt schon wieder?«
»Verzeiht mir, Euer G-gnaden, ich …«
Die Zeltklappen teilten sich und zeigten ihm eine Frau, von der er geglaubt hatte, dass er sie nie wieder sehen würde. Sie machte eine flüchtige Verbeugung, aber ihre dunklen Augen blickten mürrisch und kühl, als sie sagte: »Heiße mich willkommen, Vater.« Sie hielt die Hände hoch, und er sah die drei Lichtläuferringe an ihren Fingern.
Wächter standen wachsam und unsicher hinter ihr, Roelstra scheuchte sie und den Knappen aus dem Zelt. »Glaubt ihr etwa, meine Tochter wäre gekommen, um mich zu töten? Raus mit euch! Alle! Ich will mit der Prinzessin allein reden.«
Pandsala setzte sich, ohne seine Aufforderung abzuwarten, und faltete ihre Hände im Schoß. »Danke für meinen Titel, Vater. Damit und mit meinen Ringen sollte ich keine Probleme mehr haben, diesen Leuten Gehorsam abzuverlangen.«
»Warum sollten sie dir gehorchen? Und zu welchem Zweck?«
Sie lachte. »Herr der Stürme! Was glaubst du eigentlich, wie diese letzten sechs Jahre gewesen sind? Eingesperrt mit Lady Andrade! Selbst wenn du mich rausgeworfen hättest – aber du bist zu schlau, um das zu tun, nachdem du diese Ringe gesehen hast – und sogar wenn du mich hättest töten lassen, wäre das alles besser gewesen als das, was ich durchgemacht habe.«
Er musterte sie stumm und ließ zu, dass sein Misstrauen von seinem Gesicht abzulesen war. Schließlich meinte er: »Andrade und ihr frommer Haushalt passen ebenso wenig zu dir, wie sie zu mir passen würden. Ich traue dir nicht, Pandsala. Aber ich glaube, das erwartest du auch gar nicht. Was willst du?«
»Meine Freiheit. Und meine Position als deine Tochter und als Prinzessin. Ich kann dir von Nutzen sein, Vater, und das weißt du.« Sie lächelte. »Auch dir sieht man dein Alter an, weißt du. Weiße Haare hier, mehr Fleisch dort, Falten und Fältchen. Verschwendest du immer noch Zeit und Energie an den Versuch, einen Sohn zu zeugen, oder hast du beschlossen, Ianthes Gören nach deinem Tod zu Prinzen zu machen?« Lachend fuhr sie fort: »Prinzen! Gütige Göttin, ist das komisch! Sie werden dein Land vom einen Ende bis zum anderen entzweien! Alles, was Ianthe geboren und an ihrem Busen genährt hat, kann nur schlecht werden.«
»Das haben sie und ich gemein«, bemerkte Roelstra kalt. »Ich habe deiner kleinen Schwester den Namen gegeben, den ich besser dir hätte geben sollen – nachdem du erst mich und jetzt Andrade verraten hast.«
»Du hast recht, ich erwarte nicht, dass du mir traust. Aber ich kann nützlich sein, Vater. Und du warst noch nie dumm.«
Sie musterten sich eine Weile – Roelstra berechnend und Pandsala mit der Zuversicht und Sicherheit eines Menschen, der nichts zu verlieren hat.
»Nun gut«, sagte er schließlich abrupt. »Diene mir. Aber eines ist sicher: Wenn du mich noch einmal verrätst, werden dir deine Jahre bei Andrade wie ein Jahrmarkt des Entzückens erscheinen verglichen mit dem, was dich dann erwartet.«
»Wie könnte ich daran zweifeln, Vater?« Wieder lächelte sie und streckte sich genüsslich. »Darf ich dein Frühstück mit dir teilen? Der Weg von der Stelle, wo ich Andrade, Urival und Chiana verließ, bis hierher war länger, als ich dachte.«
Er schrak zusammen und sah, wie zufrieden sie über seine Reaktion war. Aber noch ehe er Fragen stellen konnte, platzte ein Wachposten ins Zelt, nahm sich kaum Zeit zu salutieren und keuchte: »Vergebung, Hoheit – draußen ist ein Reiter, der unverzüglich Audienz begehrt!«
Roelstra erhob sich halb, sank dann in seinen Sessel zurück und warf seiner Tochter einen Blick zu. »Lass mich allein. Ich werde dich bald rufen lassen.«
Sie zog die Brauen hoch, gehorchte jedoch wortlos. Roelstra machte eine Geste, und der Reiter wurde hereingeführt. Nachdem der Mann seine Nachricht überbracht hatte, ließ er Pandsala rufen und empfing sie
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