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Sonnenlaeufer

Sonnenlaeufer

Titel: Sonnenlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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würde ihn entweder brechen oder ihn ihr zurückgeben.
    Sie kannte ihn. Er hielt sie ganz vorsichtig umschlungen, als könnte sie in seinen Armen zersplittern. Sioned barg den Kopf an seiner Schulter und ließ die Tränen rinnen, ihre Augen reinigen und seine Haut waschen.
    Der Hof draußen war leer, aber Sioned konnte Hunderte von Augen in den Schatten fühlen. Zwei Pferde waren gleich vor den Toren angebunden, ein Wasserschlauch an jedem Sattel befestigt. Ianthe wünschte offensichtlich, dass sie die Wüste überlebten. Als Sioned und Rohan die Pferde bestiegen und aus Feruche hinausritten, entging ihnen beiden nicht der Anblick von Ianthe hoch oben auf den Zinnen, aber sie verloren nicht ein Wort darüber.
    Rohan war so angespannt, als erwartete er jeden Augenblick einen Pfeil im Rücken. Sioned wusste, dass keiner kommen würde. In der Mitte des Winters, wiederholte sie innerlich. Bis dahin blieb ihr Zeit zu entscheiden, auf welche Weise Ianthe den Tod finden sollte.
    »Bloß ein kleines Scharmützel«, bat Prinz Jastri. »Die Männer sind unruhig. Sie wissen, dass wir die bessere Streitkraft haben, und sie wollen es beweisen! Nur ein kleines Scharmützel …«
    Roelstra verzog die Lippen und schob sein Frühstück beiseite. Es hatte keinen Sinn, dass er das Mahl fortsetzte, während Jastri ihn bearbeitete und ihm den Appetit verdarb.
    »Ein kleines Scharmützel«, überlegte er. »Lord Chaynal wird genau wissen, wie er daraus eine große Schlacht machen kann. Hast du denn überhaupt nie zugehört, was von ihm erzählt wird? Er kennt den Krieg, Jastri. Er hatte in Zehava einen sehr erfahrenen Lehrer, und er hat sein Können mehr als genug mit den Merida erproben können. Es wird kein Scharmützel geben. Noch nicht. So, und jetzt sei ein guter Junge, und lass mich mein Frühstück in Frieden beenden, ja?«
    Jastri, für gewöhnlich rotwangig vor Entzücken darüber, seine eigenen Truppen befehligen zu können, errötete jetzt vor Wut. Er war ein gut aussehender Knabe von sechzehn Wintern und besaß all das Temperament und die Ungeduld von Jugendlichen, die ihren Erziehern und Ratgebern entflohen sind. Aber er hatte feststellen müssen, dass Roelstras Regeln ihn weit mehr einschränkten. Die lederne Kampfrüstung, die hier und dort mit Granat besetzt war, stand ihm jetzt ausgesprochen gut, nachdem er durch das Leben in einem Soldatenlager seinen Babyspeck verloren hatte, aber er hatte noch nicht die Disziplin eines Soldaten. Roelstra musterte die roten Wangen und blitzenden graugrünen Augen und entschied, dass es an der Zeit war, ihm eine Lektion zu erteilen.
    »Ich bin ein Prinz«, erklärte ihm Jastri hitzig. »Kein Mann nennt mich Junge!«
    »Du bist ein Junge und wirst es bleiben, bis du eine Jungfrau und eine Schlacht hinter dir hast«, fuhr Roelstra ihn an.
    »Und Ihr wollt mich in beidem unterweisen!«, fauchte der junge Prinz. »Ihr, dessen Weib und fünf Mätressen keine Söhne hervorgebracht haben! Ihr, die Ihr hier im Zelt sitzt und Euch mit Frühstück vollstopft, obwohl wir unsere Schwerter mit dem Blut der Wüste füttern könnten!«
    Roelstra seufzte und tröstete sich mit dem Gedanken, wie angenehm es sein würde, dieses Kind töten zu lassen. »Wenn du eigene Söhne hast und Narben auf der Haut, die von Schlachten herrühren, dann magst du spotten, Junge. Aber bis dahin wirst du tun, was ich sage.«
    Jastri stürzte aus dem Zelt und rief wütend nach seinem Pferd und seiner Eskorte. Roelstra ignorierte den Wirbel und bemühte sich, erneut Interesse an seinem Frühstück zu finden, aber es gelang ihm nicht. Er hoffte nur, dass Lord Chaynal ebenso unfähig war, seine Mahlzeiten, seinen Schlaf und jeden wachen Augenblick zu genießen.
    Aber er lächelte, als er überlegte, was dem Hauptmann der Wüste durch den Kopf gehen musste. Roelstras Truppen übertrafen die von Chaynal bei weitem, und doch griff Roelstra nicht an. Der Vorwand für den Kampf war ihm von Lord Davvi bereits geliefert worden, da dieser auf der Seite der Armeen der Wüste stand, anstatt seinen rechtmäßigen Herrn zu unterstützen – und dennoch griff Roelstra nicht an. Der Hoheprinz nahm seinen silbernen Kelch und sprach zu seinem Spiegelbild auf dessen polierter Oberfläche.
    »Warte ich darauf, dass Lord Chaynal zuerst angreift? Nein, ich bin zu schlau zu glauben, dass er sich ins Unrecht setzen könnte. Warte ich darauf, dass Rohan eintrifft, damit ich ihn und seine Armeen in einer einzigen Schlacht zerstören kann? Nein, denn

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