Sonnenlaeufer
zusammen, als die Faradhi ihren geheimnisvollen Zauber wirken ließ, die langen Finger bar ihrer Ringe. Aber was immer Ianthe auch sein mochte, feige war sie nicht. Sie wandte sich dem Feuerturm zu und schrie: »Stopp – oder ich lasse ihn töten, heute Nacht noch, mit seinem eigenen Schwert!«
Die Flammen zuckten und erstarben. Ianthe lachte. »Bringt sie in ein Gemach im Innern, wo kein Sonnen- oder Mondschein hineinfällt! Keine Angst, Lichtläuferin – ich werde ihn dir bald zurückgeben!«
Rohan schloss die Augen und presste seine Stirn an die raue Mauer. Bald – wenn sie sicher war, dass sie sein Kind in sich trug, und Sioned diese Tatsache entgegenschleudern konnte. Sohn oder nicht, er würde sie töten. Und das Kind desgleichen.
Barbar .
Kapitel 25
Andrade wusste, dass es ein Traum sein musste. Roelstra, Ianthe und Pandsala, alle in dunkelviolette Umhänge gehüllt, hielten ihre Hände an ein Feuer, das sie selbst beschworen hatte. Als sie sie von den Flammen fortzogen, endeten ihre Arme in schwarzen Stümpfen am Handgelenk. Der Hoheprinz und Ianthe langten daraufhin ins Feuer und retteten die Hände. Pandsala sammelte Ringe und Armbänder ein, dünne, zitternde Ketten. Mit rituellem Ernst umkreisten sie das Feuer und übergaben die Hände einer schattenhaften Gestalt auf der anderen Seite des Lichts. Und in den Tiefen eines voluminösen Umhangs sah Andrade ihre eigenen Handgelenke, Handflächen und Finger mit denen der unbekannten Person verschmelzen. Pandsala schob die juwelenbesetzten Ringe auf die Finger, schloss die Armbänder um die Handgelenke, befestigte die zarten Kettchen. Eine Geste mit diesen Händen, und das Feuer erhob sich mächtig und griff nach Ianthe, die sich ins Nichts auflöste. Die weißgoldenen Flammen formten ein leuchtendes Schwert, das Roelstras Fleisch durchbohrte; auch er wurde vom Feuer ergriffen und war für immer dahin. Nur Pandsala blieb übrig, den Kopf ergeben vor jenem Unbekannten geneigt, der jetzt Andrades Faradhi -Ringe trug und all die Macht meisterte, die sie symbolisierten – und sich nicht scheute, diese Macht einzusetzen, um zu töten.
Hier brach der Traum ab, und Andrade erwachte von den Geräuschen des Waldes um sie her. Sie setzte sich auf und atmete tief die klare Morgenluft ein. Sie wusste, dass es dumm war, dass sie ihre Hände musterte – und tat es trotzdem. Sie glaubte nur dann an prophetische Träume, wenn es ihr passte. Diesen hier wollte sie lieber so schnell wie möglich vergessen.
Sie versuchte, sich mit den Einzelheiten ihrer Umgebung abzulenken. Urival schlief unruhig in ihrer Nähe. Er lag in seinen Umhang gehüllt auf dem Boden. Zwei andere Gestalten hatten sich auf der anderen Seite des erstorbenen Feuers zusammengerollt. Die Bäume hielten das erste Sonnenlicht fern, das durch den blaugrünen nebligen Dunst fiel, der vom Fluss aufstieg. Andrade rieb sich den Rücken. Der schmerzte sie, weil sie wie ein Mehlsack zu Pferde sitzen musste, um ihre Rolle als Pandsalas Dienerin besser spielen zu können. Fünf Tage in dieser Rolle, und nicht nur ihr Körper, sondern auch ihr Selbstverständnis hatten darunter gelitten. Das war die Quelle für ihren Traum. Ihre Hände waren steif, und die Gelenke brannten wie heiße Nadeln; sie schäumte immer noch angesichts der Würdelosigkeit, ihre Ringe und Armbänder in die Tasche stecken zu müssen, bis sie sich um Lord Lyells Männer gekümmert hatten; Wut schäumte in ihr, Wut auf Roelstra, Ianthe und vor allem Pandsala, die sie in diese beschämende Situation gebracht hatte. Aber jene schattenhafte Gestalt, die nicht als Mann oder Frau zu erkennen gewesen war, beunruhigte sie noch immer.
Es gab einfache Mittel gegen morgendliche Schmerzen und Traumbilder. Andrade stand auf, zuckte zusammen, als ihre Knochen gegen die morgendliche Kälte und Feuchtigkeit protestierten, und ging zum Fluss hinab. Die Bewegung, als sie nach einer seichten Stelle suchte, um sich zu waschen, wärmte allmählich ihre Muskeln, und das kalte Wasser sorgte für einen klaren Kopf. Sie schüttelte Tropfen von Gesicht und Händen, frisierte ihr Haar und fühlte sich schon eher in der Lage, der Welt gegenüberzutreten.
Oder wenigstens zu sehen, welche neuerlichen Unannehmlichkeiten diese heute für sie bereithielt. Die vergangenen fünf Tage waren schlimm genug gewesen. Abgesehen von Pandsala hatte sie noch Chianas Gegenwart ertragen müssen, denn dem Mädchen war es gelungen, ein Pferd aufzutreiben und mit ihnen loszureiten.
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