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Sonnenlaeufer

Sonnenlaeufer

Titel: Sonnenlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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Duft von Mahlzeiten, die auf den großen Feuerstellen im Wüstenlager zubereitet wurden, an die Stelle der kühlen Düfte von Wasser und Bäumen rund um den Faolain. Man musste einem Wachposten eine gewisse Schläfrigkeit nach einer langen, ereignislosen Wache verzeihen, vor allem, wenn die Ablösung bevorstand und das Abendessen lockte. In den zehn Tagen seit der Schlacht war nichts geschehen, und so kurz vor Sonnenuntergang war das auch heute nicht wahrscheinlich; die Frau zuckte die Achseln und nahm eine bequemere Haltung ein, den Rücken an einen Baum gelehnt, die Augen geschlossen.
    »Wenn ich der Hoheprinz wäre, dann wärest du jetzt tot.«
    Die klare, scharfe Stimme riss sie hoch, und sie legte einen Pfeil ein und spannte den Bogen mit bewundernswerter Schnelligkeit. Aber gleich darauf senkte sie die Arme und neigte den Kopf. »Mein P-prinz!«, keuchte sie.
    Stahlblaue Augen blickten auf sie herab, als sie es wagte, wieder aufzuschauen. Sie hatte den alten Prinzen anlässlich seiner Besuche in der kleinen Küstenfestung, die sie ihr Heim nannte, ein oder zwei Mal gesehen, und dieser junge Mann war ihm plötzlich sehr ähnlich – nicht in der Größe oder seinen Farben, aber was den Ausdruck in diesem eisigen Gesicht betraf.
    »Nun, da du wach bist, bist du vielleicht so freundlich und informierst mich, wo Lord Chaynal sich aufhält«, fuhr er fort.
    »In seinem Zelt, Hoheit, mit dem jungen Lord Maarken und Lord Davvi aus River Run.«
    Rohan nickte. Sein blondes Haar fing jeden Strahl der untergehenden Sonne ein. »Da ich gerade die Straße aus dem Norden entlang gekommen bin, kann ich dir versichern, dass sie frei von Feinden ist. Wäre es jedoch nicht der Fall gewesen …« Er zog eine Braue hoch. »Habe ich mich verständlich ausgedrückt?«
    »Ja, Hoheit.«
    »Gut. Du hast meine Erlaubnis, Lord Chaynal davon zu unterrichten, dass ich hier bin.«
    Sie verbeugte sich erneut und floh.
    Rohan hörte das Geräusch, als er weiterritt, ein Murmeln, das zu Jubel anschwoll, als sie ihn erblickten. Er hatte gehört, wie Soldaten seinen Vater so begrüßten, hatte gesehen, wie sie aus ihren Zelten strömten und ihre Arbeit verließen, um seinen Weg mit Willkommensrufen, mit Schwertern und Bogen zu säumen, stolz über den Sieg, den Zehava immer gebracht hatte. Aber diesmal galten das Spalier und der Willkommenstumult nicht seinem Vater. Alles galt ihm. Rohan. Ihrem Drachenprinzen. Das Wissen verursachte ihm ein wenig Übelkeit.
    Er hatte zwanzig Bogenschützen, dreißig Pferde und seinen Knappen Tilal mitgebracht. Das Einzige, was ihm Freude machte, war der Gedanke, dass der Knabe wieder mit seinem Vater vereint werden würde. Die Aussicht darauf, Chay erklären zu müssen, was er erlebt hatte, erfüllte ihn mit nichts anderem als Furcht. Er verfluchte seine Feigheit. Keines seiner Gefühle zeigte sich jedoch auf seinem Gesicht, als er zu dem einfachen, dunklen Kriegszelt ritt, das sich von den anderen nur durch das Banner Radzyns unterschied, das an einem silbernen Pfosten hing. Die Farben der Wüste würden schon bald dessen Platz einnehmen, und Chays Flagge würde dann auf die andere Seite des Eingangs wandern. Als wäre er der Oberkommandierende in diesem Krieg, sagte sich Rohan.
    Chay erwartete ihn zusammen mit den Hauptleuten und einem Mann, der eine flüchtige Ähnlichkeit mit Sioned und eine sehr viel größere mit Tilal aufwies. Und war das etwa Maarken? Er erwiderte ihre Verbeugungen mit einem knappen Nicken, dankbar für die Rituale, hinter denen sich ein Prinz verstecken konnte. Er war der Göttin dankbar für die Zeremonien, ganz gleich, wie falsch sie sein mochten. Nein, verbesserte er sich, hier gab es keine Falschheit außer der seinen.
    »Mein Prinz«, begrüßte ihn Chay und übermittelte ihm mit den Augen eine dringende Botschaft. Rohan verstand sie. Sein Volk wartete dringend auf ein Wort seines Prinzen, und er würde es geben müssen. Er bohrte seine Fersen in die Flanken seines Pferdes und zügelte es. Sein geliebter Pashta, der ihm aus Skybowl gebracht worden war, erhob sich eindrucksvoll auf den Hinterbeinen und wirbelte herum. Rohan reckte die behandschuhte Rechte empor, und alles verstummte. Er lächelte verkniffen.
    »Heute Nacht ruht der Hoheprinz noch in seinem Lager jenseits des Flusses. Aber im Namen der Göttin, bald wird er die ewige Ruhe finden.«
    Gebrüll stieg auf, und Rohan beglückwünschte sich selbst zu dieser dummen Ansprache – die kurz genug war, um sich heute Abend wie

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