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Sonnenlaeufer

Sonnenlaeufer

Titel: Sonnenlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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Lauft!«
    In diesem Augenblick gaben die Tore nach, und Pferde stürmten hufklappernd in den Hof. Tobin hatte nur ihre schlanken rot-weißen Pfeile, um ihre Söhne zu verteidigen.
    »Hier entlang«, sagte Sioned zu Rohan und führte ihn zu einem Gang durch die Felsen, den er bislang nicht gekannt hatte. Er folgte ihr durch einen Spalt, der gerade breit genug für ein einzelnes Pferd war. Zwei Menschen zu Fuß gelangten schnell und leicht durch den Gang, und ehe Rohan sich versah, standen sie, um Atem ringend, neben der Grotte.
    »Komm weiter«, brachte er mühsam hervor, als er wieder genug Luft bekam. »Gütige Göttin, ich hoffe, wir kommen nicht zu spät …«
    Sie rannten in den verlassenen Innenhof, aber von der anderen Seite der Mauer hörten sie Geräusche, die selbst für Sioned, die nie zuvor eine echte Schlacht erlebt hatte, unmissverständlich waren: das Klirren von Stahl gegen Stahl, das schrille Wiehern von Pferden, die Schreie der Verwundeten und Sterbenden. Rohan hob sie empor und ergriff dann ihre Hände, um sich selbst auf die Mauern zu ziehen. Er warf einen einzigen Blick auf das Chaos, sprang dann hinab und rannte zum nächstbesten Schwert, das zu Boden gefallen war.
    Sioned blieb, wo sie war. Die Pferde der Merida hatten sich in Gruppen von drei und vier Tieren aufgeteilt, die festen kleinen Knoten mit Hufen und Schwertern auf allen Seiten glichen. Sie wählte die nächste aus, hob ihre ringlosen Hände und umzingelte die Gruppe mit Feuer.
    Dasselbe machte sie mit einem zweiten Trupp, dann mit einem dritten, und schuf so immer wieder neu ein kleines Inferno aus schreiendem, brennendem Fleisch. Ein Reiter löste sich aus einem anderen Trio und stürzte sich auf sie, entschlossen, diese Hexe mit dem wilden Blick und dem Feuerhaar zu töten, die Lichtläufer-Feuer auf sie herabrief. Mit einer beiläufigen Handbewegung webte sie ein Netz aus Flammen um ihn her. Sein Schwert klirrte aus verbrannten Fingern zu Boden, und er schrie schmerzerfüllt auf. Sioned lächelte süß und hüllte eine andere Gruppe zu Pferd in Flammen.
    Rohan sah die Flammen aufzüngeln, vier, fünf, sechs Mal. Er bohrte sein geliehenes Schwert in eine nahe Feuersbrunst und tötete Männer und Frauen, die er kaum sehen konnte. Als der Rest der Merida kehrtmachte und die Flucht ergriff, zurück durch den Tunnel, brüllte er Sioneds Namen. Sie kniete noch immer auf der schmalen Mauer, wiegte sich hin und her, die Hände vor sich gespreizt, während ihr Haar wie eine Kaskade aus Feuer herabfiel.
    »Sioned!«, rief er wieder. »Genug!«
    Ihre Hände fielen herab. Ihr Blick fand seinen, und ihr Lächeln erstarb. Sie schwankte und wäre fast gestürzt. Myrdal hinkte herbei, hielt die Arme empor und half ihr von der Mauer herab. Das Feuer war vergangen; es hatte nicht lange genug gebrannt, um zu töten, aber der Gestank von versengtem Fleisch und Fell hing in der Luft.
    Rohan fand ein Pferd, dessen Reiter von einem rot-weißen Pfeil getötet worden war – was Tobin überhaupt in Stronghold machte, fragte er sich, als er im Chaos die schlanke Gestalt seiner Schwester ausmachte. Er sprang aufs Pferd, lenkte das verängstigte Tier herum und trieb es durch die Tore.
    Tobin riss ihre Söhne in ihre Arme. Die beiden waren unverletzt geblieben, wenngleich Sorins Tunika zerrissen war und Andry einen langen, aber nicht sehr tiefen Schnitt am Arm hatte. Sie umarmte die beiden heftig, ließ sie dann los und gab jedem einzelnen einen schallenden Schlag aufs Hinterteil, der ihnen die Tränen in die Augen trieb.
    »Wie könnt ihr es wagen, mir nicht zu gehorchen!«, tobte sie. »Macht so etwas ja nicht noch einmal! Geht mir aus den Augen, bevor ich euch auspeitschen lasse!« Sie zog sie noch einmal an sich, umarmte sie, bis ihnen die Luft wegblieb, und stieß sie dann auf die Burg zu. »Verschwindet.«
    Das taten sie. Tobin richtete sich auf, einer Ohnmacht nahe vor Zorn und Erleichterung. Doch dann erblickte sie Sioned. Myrdal stützte sie, denn Sioned war halb bewusstlos. Tobin vergaß ihre eigene Benommenheit, eilte zu ihr und schob ihre Schulter unter Sioneds anderen Arm.
    »Bringt sie hinein«, sagte Myrdal. »Schafft Ihr es allein?«
    »Ich kann gehen«, flüsterte Sioned, aber ihre Stimme versagte.
    Tobin musterte sie. Sioneds Gesicht, Hals und bloße Arme waren blutig und mit Blasen übersät. Selbst ihre Hände waren von der Sonne zerstört, ohne Ringe jetzt und sogar ohne weiße Streifen dort, wo die Ringe hätten sein sollen. Und der

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