Sonnenlaeufer
Flottenkommandeur es für sicher hielt, wieder auszulaufen. Rohan und Chay beobachteten, wie die Segel gesetzt wurden und sich im Wind blähten. Sie wussten, dass mit den Schiffen auch jede Möglichkeit einer Flucht zurück über den Fluss verschwunden war. Sie waren in Syr, auf Gedeih und Verderb. Wie auch immer die Schlacht ausgehen mochte, wann immer sie gekämpft werden würde, Rohan war merkwürdig froh darüber, zu Aktionen gezwungen zu sein. Indem er die Auswahl gering hielt, verringerte er auch innere Konflikte.
Er, Chay und Davvi fassten endlos neue Pläne ins Auge, kämpften Schlachten auf Landkarten durch, um verschiedene Taktiken zu erforschen, und stritten über Zeit und Ort. Das war alles, was sie tun konnten, bis ihre Späher mit Berichten kamen. Und als sie das taten, waren es schlechte Neuigkeiten. In den beiden Tagen, als die Sonne schien, wodurch es den Schiffen möglich geworden war, Segel zu setzen, hatte sich Roelstras Armee anscheinend erneut zurückgezogen, und wie es schien, hatte sich seine Streitkraft dabei verdoppelt.
Der Morgen brachte einen eisigen Nebel, als das Trio mit seinen Knappen und Hauptleuten ausritt, um eigene Erkundigungen einzuziehen. Rohan schauderte unter seinem schweren Umhang und verfluchte die Wolken, die regenschwer im Norden hingen. Aber was er von einer Hügelkuppe aus sah, ließ ihn mehr frieren als der Wind.
Das ganze Weideland, auf dem sich bis vor kurzem noch das Lager des Hoheprinzen befunden hatte, stand knietief unter Wasser. Gräben waren ausgehoben worden, die sich mit Wasser aus dem Faolain füllten. Auf diese Weise war ein Gebiet von mehr als zwei Längen Breite in einen See verwandelt worden. Ihn zu überqueren war unmöglich; der Boden bestand aus dickem, bösartigem Schlamm wie dem am Ufer des Sees. Die Hitze eines ganzen Sommers würde erforderlich sein und darüber hinaus der Unterstützung durch Entwässerungsgräben bedürfen, um dieses Land wieder trockenzulegen. Aber da war noch etwas, etwas, an das nur Roelstra mit all seiner List hatte denken können, etwas, das dieses Land für lange Zeit ruiniert hatte.
»Riecht ihr es?«, fragte Rohan leise. »Salz.« Er hörte Davvi fluchen und Chay scharf einatmen. Rohan atmete tief den unverkennbaren Geruch im Wind ein. »Ich nehme an, die Bäume waren zu feucht, um abgebrannt zu werden, sonst hätten sie das auch noch getan«, lautete sein Kommentar. Dann drehte er Pashta um und ritt zu seinem Zelt zurück. Bis zum Einbruch der Nacht war er für niemanden zu sprechen.
Als Chay endlich gemeldet wurde, Prinz Rohan wünsche ihn zu sprechen, betrat er das Zelt mit den lebhaftesten Erwartungen dessen, was er dort vorfinden würde. Rohan saß mit hängenden Schultern auf seinem Feldbett. Eine leere Flasche lag auf dem Teppich, eine halb leere stand zwischen seinen Stiefeln. In den Händen hielt er einen Kelch, den er vor jedem Schluck in einem geheimen Ritual zwischen den Händen drehte und wendete, fünf Mal, ehe er trank. Chay sah sich das eine geraume Zeit an und fragte sich, ob der Alkohol, wenn er auf Rohans Wunde aufgetragen wurde, diese wenigstens für eine kurze Weile betäuben würde. Aber als sich die blauen Augen schließlich zu ihm hoben, wusste er, dass der Schmerz so stark brannte wie eh und je.
»Setz dich«, forderte Rohan ihn auf, und das war keine Einladung. »Einmal muss ich reden. Und diesmal wirst du mir zuhören.«
Chay setzte sich. Ihm wurde kein Kelch angeboten, und er hätte ihn auch nicht angenommen. Rohan starrte ihn so lange an, wie er brauchte, um den Kelch erneut rotieren zu lassen, fünf Mal, ehe er einen weiteren Schluck trank. Seine Stimme und seine Augen waren eiskalt und nüchtern.
»Ich habe mir gesagt, ich wäre klug und zivilisiert. Ich habe erklärt, mein Ziel wäre es, mit dem Gesetz zu herrschen, nicht mit dem Schwert. Und jetzt sieh, was ich getan habe. Ich wurde zum Prinzen erhoben, um das Land und mein Volk zu schützen und zu ernähren.« Noch ein Schluck. Rohans sensible Finger drehten den Kelch im Kreis. »Ich bin nicht besser als irgendein anderer Mann, der vor mir war. Ich habe mir gesagt, ich würde nur tun, was ich tun muss. Aber ich habe wirklich Talent dafür, Chay. Ich bin ein Künstler in all diesen barbarischen Künsten – Krieg, Vergewaltigung …«
Rohan trank und beugte sich vor, um den Kelch mit erschreckend ruhigen Händen erneut zu füllen. » Azhei . Noch nie haben sie irgendjemanden so genannt, nicht einmal meinen Vater. Eltanin will die
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