Sonnenlaeufer
Höhle, die er von unten ausgemacht hatte. Nachdem er Luft geholt hatte, wandte er sich an Chay, damit er sich versteckte.
»Rohan, vergib mir, aber du hast den Verstand verloren! Das ist ja alles schön und gut, aber ich würde mich weit besser fühlen, wenn ich wüsste, was wir hier tun.«
»Sieh dir mal diese Höhle an. Sie ist zugemauert, die Eier sind abgelegt, das Drachenweibchen ist fort. Wenn du jetzt der Großvater wärest, wenn du in diesem Jahr durch die Hölle gegangen wärest, um dich zu paaren, und wenn du jetzt zwei jämmerliche Geschöpfe sehen würdest, die sich anschicken, die Frucht deiner Arbeit anzugreifen …«
Chay brüllte vor Lachen. »Du bist wirklich verrückt. Also gut, was soll ich tun?«
»Nicht viel, außer ich werde getötet. Sollte das der Fall sein – renn um dein Leben. Und bitte Mutter, mir zu vergeben.«
»Wenn sie von dem hier wüsste, würde sie dich selbst umbringen und dem Drachen die Mühe ersparen.« Chay schüttelte den Kopf und ging dann ans andere Ende des Simses, wo ein Stapel aus Felsbrocken angemessenen Schutz bot.
Rohan wischte sich den Schweiß von der Stirn und drehte sich um, um die gegenüberliegende Wand zu beobachten. Leere Höhlen klafften dort verführerisch auf. Aus welcher würde der Drache auftauchen? Oder war er in einer Höhle auf dieser Seite? Rohans Instinkt sagte nein. Er weigerte sich, über den Irrsinn seines Unterfangens weiter nachzudenken, und glitt hinter einen Felsvorsprung, um zu warten. Das Sims maß etwa sechs Schritt in der Breite und war ungefähr doppelt so lang – ausreichend Platz für ihn, um zu agieren, aber schwierig für einen Drachen.
Die Schatten wurden kürzer, und es ging auf Mittag, als der Drache aus einer Höhle gegenüber von Rohans Platz hinkte. Erschöpft nach einem Vormittag, an dem er sich aus vollem Herzen einer seiner Damen gewidmet hatte, gähnte er und reckte erst ein Hinterbein, dann das andere. Rohan hörte Chays ersticktes Lachen ganz in der Nähe. Es war wirklich komisch zu sehen, wie schläfrig dieser geile, alte Kerl nach seinen sexuellen Ausschweifungen war. Doch Rohan verging jegliche Fröhlichkeit, als er die zahlreichen Risse im Panzer des Drachen entdeckte, aus denen noch immer Blut sickerte. Als der Drache die großen Schwingen zum Flug ausbreitete, bemerkte Rohan außerdem, wie steif er sich bewegte. Auf der Unterseite des einen Flügels war ein großer Fleck getrockneten Blutes und ein kleinerer an einer Flanke. Rohan riss sich zusammen, trat in den Sonnenschein hinaus und schleuderte dem Drachen, der seinen Vater getötet hatte, eine höhnische Herausforderung entgegen.
Da sich die Sonne in Rohans Rücken befand und er weiter oben im Canyon stand, musste der Drache die Augen zusammenkneifen, um ihn zu sehen. Unter anderen Umständen wäre auch das komisch gewesen: zu sehen, wie sich die großen, bösen Augen auf der Suche nach der Quelle dieses Rufes verengten. Rohan sandte der Göttin ein Dankgebet, dass sie es so arrangiert hatte; der Drache würde heftig mit seinen verletzten Flügeln schlagen müssen, um sich auf eine Höhe mit Rohan zu bringen. Mit seinen Wunden und erschöpft nach der Paarung würde diese Anstrengung gewaltig sein.
Heiterkeit durchfuhr Rohan, als die Schwingen ein-, zweimal schlugen, offenbar ihrer Kraft nicht sicher. Der Drache brummte vor Schmerz und Wut und erhob sich mühsam in die Luft. Einen Augenblick war seine Flugtüchtigkeit zweifelhaft. Doch mit drei kräftigen Schlägen seiner Schwingen erhob er sich in die Lüfte – und hielt direkt auf Rohan zu.
Der Prinz würgte sein Entsetzen herunter, streckte sein Schwert aus und wich nicht von der Stelle. Der Drache ragte über ihm empor, und der Sonnenschein funkelte auf seinem goldenen Panzer. Die geöffneten Kiefer enthüllten abgenutzte Zähne, und Rohan spürte den heißen Atem des Drachen im Gesicht. Vor seinem inneren Auge tauchte plötzlich ein Bild davon auf, wie sein eigener Kopf in diesem klaffenden Schlund verschwand. Nie zuvor war er einem Drachen so nah gewesen, und er wünschte sich jetzt nichts sehnlicher, als sich zu verstecken, bis das Ungeheuer davonflog.
Stattdessen sprang er zur Seite und hieb sein Schwert mit aller Kraft nach unten. Nur um Fingerbreite entging er dem Schicksal, von den Drachenkiefern gespalten zu werden. Das Biest heulte auf, als es gegen das Gesims krachte. Ein Flügel wurde gegen seinen Körper gepresst, und Blut strömte aus der Wunde, die Rohan ihm neu geschlagen hatte.
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