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Sonnenlaeufer

Sonnenlaeufer

Titel: Sonnenlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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Chay! Wenn ich sterbe, werden meine Söhne Frieden erben, nicht nur Ruhe vor dem Krieg für ein paar Sommer oder Jahre, in denen die Feinde sich neue Angriffsmöglichkeiten ausdenken.« Er wartete auf Chays Reaktion, und als keine kam, fuhr er fort: »Du bist nicht gerade enthusiastisch.«
    »Das ist eine hübsche Idee«, meinte Chay vorsichtig. »Aber ich halte sie nicht für besonders praktikabel.«
    »Ich werde schon dafür sorgen. Warte nur ab.«
    Rivenrock ragte vor ihnen auf. Die rötlichen Streifen an den Felsen konnten getrocknetes Blut sein, vom Drachen oder Menschen. Rohan zog die Zügel an und musterte den Eingang des Canyons und seinen großen Gipfel.
    »Er ist immer noch hier.« Rohan wies auf dunkle Pflanzenbüschel. »Siehst du den Bittersüß-Nachtschatten oben auf der Klippe? Er hat ihn gefressen, um stark zu bleiben, denn er hat sich noch nicht mit allen gepaart. Für gewöhnlich wächst der praktisch über Nacht wieder nach, aber dieser hier ist bis ganz zum Boden abgefressen.«
    »Ein Drache braucht keine sechs Tage, um sich mit seinen Weibchen zu paaren«, widersprach Chay.
    »Vater hat ihn schwer verletzt. Spürst du denn nicht, dass er noch immer da hinten im Canyon lauert?«
    Chay sah und hörte nichts, und das sagte er auch. Rohan lächelte bloß. Ganz plötzlich brach sich ein Schrei an den Wänden des Canyons, und der Lärm ließ lose Steine herabpoltern. »Er ist hier«, wiederholte Rohan und ritt vorwärts. Nach einer halben Länge im Canyon stieg er ab, zog sein Schwert und bedeutete Chaynal, er soll es ihm gleichtun. »Maeta«, wandte er sich an die Kommandeurin, »halte alle anderen zurück. Ihr seid nur hier, um mir zu helfen, das Monster heimzuschleppen, das ist alles. Chay, komm mit mir.«
    »Euer Gnaden«, fing Maeta an, und ihre Augen wurden schmal vor Sorge – schwarze Augen wie die von Zehava, dessen Blutsverwandte sie sein mochte oder auch nicht, je nachdem, welchem Familiengerücht man Glauben schenkte. Rohan warf ihr einen langen Blick zu, und sie zog sich mit einem gehorsamen Nicken zurück.
    Rohan und Chaynal kletterten den schmalen Grat entlang, der sich an der Felswand entlangzog. Der säuerliche Geruch des Drachenpaarens lag in der Luft. Überall in den Klippen befanden sich Höhlen, viele von ihnen bereits von den Drachenweibchen verschlossen, die ihre Eier darin abgelegt hatten. Acht Höhlen auf der gegenüberliegenden Seite des Canyons waren bereits so versiegelt, und Rohan fragte sich, wie viele Drachen in Schalen dahinter lagen und in der ofengleichen Hitze ausgebrütet wurden. Drachen mit breiten, grazilen Schwingen zum Fliegen, mit langen Kehlen, damit sie einander über den Wind hinweg rufen konnten – und mit tödlichen Krallen, die Fleisch in Fetzen rissen. Heute musste Rohan in dem Drachen einen Mörder sehen, nicht eine der schwebenden, schönen Kreaturen, die ihn von Kindheit an bezaubert hatten.
    Er war überzeugt gewesen, dass der Großvater noch hier war. Zehava hatte den Drachen verwundet und ihn daran gehindert, zu seinen Weibchen zu gelangen. Noch waren zwei Höhlen auf der gegenüberliegenden Mauer offen, und das Poltern von Steinen darin verriet ihm, dass sich Drachenweibchen dort aufhielten und ungeduldig auf ihren Herrn warteten. Ein unbegattetes Drachenweibchen, so schwer mit Eiern, dass es nicht fliegen konnte, starb schnell; die Skelette derer, die trotzdem zu fliegen versucht hatten, übersäten den Boden der Schlucht. Rohan war oft hierher geritten und hatte Krallen, Zähne und die seltsamen Schwingen- oder Schenkelknochen für seine Studien gesammelt. Er wusste, wie ein Skelett sich zusammensetzte, wie die Muskeln an den Knochen anlagen, wie sich aus dem Ganzen ein Tier von seltener Schönheit zusammensetzte – jedenfalls schön für ihn. Aber jetzt wollte er einen Drachen töten und die Arbeit beenden, die sein Vater begonnen hatte, ehe er sich an seine eigene Arbeit machte.
    Er kletterte schneller. Es war sehr hinderlich, mit einem bloßen Schwert in der Hand eine Felswand emporzuklettern, aber er wagte nicht, es wieder in die Scheide zu schieben, da der Drache ihn jederzeit überraschen konnte. Allein der Augenblick, den er benötigen würde, um sein Schwert zu ziehen, konnte seinen oder Chays Tod bedeuten. Es war so schon gefährlich genug, Felsbrocken nach unten poltern zu lassen, aber er hoffte, der Drache würde es bloß für das Gepolter der Steinöfen halten, die ihren Platz für den Sommer einnahmen.
    Endlich erreichten sie die

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