Sonnenlaeufer
wirst mir berichten, was sie noch gesagt hat, wenn du damit fertig bist, mich in Verlegenheit zu bringen.«
»O nein«, kicherte sie. »Das musst du schon selbst herausfinden.« Sie wand ein Handtuch um seinen Kopf und rieb sein Haar trocken. »Schmiede deine Pläne, wie du willst. Ich werde dir helfen, wenn du mir ausreichend vertraust. Aber du musst mir versprechen …«
»Was?«, fragte er misstrauisch und blinzelte sie unter dem Handtuch an.
»Heirate sie, Rohan. Ihr bedeutet mir beide sehr viel«, sagte sie und sah dabei alles andere an, nur nicht ihn. »Denn du wirst niemals eine Frau finden, die besser zu dir passt als Sioned.«
»Und wenn ich es nicht verspreche?«
Wieder lachte sie. »Dein Körper hat es bereits getan, als ich nur ihren Namen erwähnt habe.«
Rohan dachte, sie hätte es nicht bemerkt, und war beschämt. Aber sein Sinn für Humor half ihm, und er grinste. »Was schlägst du vor? Eine längere Tunika?«
»Oder einen hübschen, alles verdeckenden Umhang«, antwortete sie boshaft.
Rohan wartete zwischen den Bäumen in der Nähe der Grotte verborgen, die seine Mutter als Zuflucht vor der schlimmsten Sommerhitze entworfen hatte. Obstbäume waren unter enormen Kosten aus Ossetia, Meadowlord und Syr gebracht und mit so viel fürsorglicher Liebe in den Wüstenboden verpflanzt worden, dass nicht ein einziger verlorengegangen war. Zehn Jahre lang waren sie gehegt und gepflegt worden, und jetzt wuchsen sie in üppiger Pracht neben der Felsengrotte, in der sich die Quelle, die Stronghold versorgte, in einen kleinen Tümpel ergoss. Als Kind hatte er gerne hier gespielt und hatte diesen Ort immer für einen guten Platz gehalten, um zu sitzen und zu träumen und dem Plätschern des Wassers zu lauschen. Er wollte der Erste sein, der ihn Sioned zeigte.
Walvis hatte alles vorbereitet. Der Knappe war gleich nach dem Abendessen zu ihm gekommen und hatte ihm atemlos zugeflüstert: »Herr, Eure Dame wird Euch um Mitternacht aufsuchen.« Die Ausdrucksweise des Knaben ließ Rohan lächeln. Walvis war kein Dummkopf. Er war in einem Alter, in dem eine Romanze zwischen einem Prinzen und einer hübschen Dame seine Phantasie beflügelte, und geheime Treffen spät nachts entsprachen genau seinem Geschmack. Rohan wusste, was es bedeutete, in Walvis’ Alter zu sein und als Mittler zu fungieren, denn er war gerade elf Jahre alt gewesen, als Chaynal Radzyn geerbt hatte und gekommen war, um Zehava seine Ehre zu erweisen. Obwohl Rohan seine Schwester gnadenlos verspottet hatte, war es doch aufregend gewesen, die Treffen zwischen ihr und dem gutaussehenden jungen Lord zu arrangieren. Chay hatte von Anfang an seine Liebe und Bewunderung genossen; denn trotz des Altersunterschieds von zehn Jahren hatte der Ältere ihn nie wie ein Kind behandelt. Politik, dachte Rohan heute amüsiert. Man verärgerte seinen künftigen Prinzen besser nicht, und schon gar nicht den Bruder der Frau, die man zu heiraten hoffte. Aber ihre Freundschaft beruhte auf mehr als nur Eigeninteresse, das wusste er. Sie war im Laufe der Jahre immer stärker geworden, und Chay war einer der wenigen Menschen, denen Rohan wirklich vertraute.
Viel hing nun davon ab, ob er Sioned vertrauen konnte. Viel hing auch von Roelstra ab, von dem er sehr wohl wusste, dass er ihm nicht trauen konnte. Sein ganzer Plan beruhte auf dem Eindruck, den zwei Menschen von ihm hatten – oder vielmehr auf seiner Fähigkeit, zwei ganz verschiedene Personen dazu zu bringen, zwei ganz verschiedene Dinge von ihm zu glauben.
Prinz Zehava hatte mit dem Schwert regiert und hatte durch Siege über Drachen und die Merida Kraft demonstriert. Der Hoheprinz Roelstra herrschte durch seinen Verstand und demonstrierte seine Macht durch politische und persönliche Erniedrigung. Rohan beabsichtigte, seine Macht für den Augenblick auf beidem aufzubauen – dem Sieg über die Merida, nachdem er Roelstra beim Rialla erniedrigt hatte –, und schließlich wollte er sich mit Hilfe des Gesetzes zum Führer machen. Sioned brachte ihm zwar keine Verbündeten und kein Land, aber sie brachte ihm etwas viel Nützlicheres: die Faradhi’im . Die gegenwärtige Lichtläuferin der Wüste, Anthoula, wurde alt, und Rohan beabsichtigte, sie mit Andrade zur Schule der Göttin zurückzuschicken, so dass sie die letzten Jahre, die ihr verblieben, ungestört von der glühenden Hitze der Wüste verleben konnte. Anthoula hatte ihm beigebracht, wie das Netz der Faradhi’im funktionierte und auf wessen Seite sie
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