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Sonnenlaeufer

Sonnenlaeufer

Titel: Sonnenlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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brauchte, um dies zu tun. Aber ich möchte eine andere Art von Sicherheit aufbauen, und das kann ich nicht auf Vaters Art.«
    »Nennst du Zehava etwa einen Dieb?« Chays graue Augen tanzten.
    »Einen von der besten Sorte«, erwiderte Rohan, ohne eine Miene zu verziehen.
    »Rohan!« Tobins Faust traf seinen Arm, und er zuckte zusammen. »Ach, hör auf. Du bist schon längst wieder gesund – und außerdem war es sowieso der andere Arm. Wie kannst du behaupten, Vater hätte seine Vasallen bestohlen?«
    »Aber das hat er doch. Zu einem guten Zweck natürlich, aber wie nennst du es denn, wenn man etwas nimmt, ohne dafür zu bezahlen?«
    »Seine Bezahlung war die Sicherheit, von der du selbst gesprochen hast.«
    »Aber dafür waren sie ärmer an den einzigen Dingen, an denen ihnen etwas liegt: Geld, Pferde, Essen.«
    Sie runzelte die Stirn. »Ach komm, du schacherst einfach nicht gern, und das ist der Grund. Ich glaube, du willst zu viel zu schnell verändern. Aber ich habe noch eine andere Frage. Was ist mit Sioned?«
    Chay stieß einen leisen Pfiff aus und lehnte sich zurück, die Hände abwehrend erhoben. »Haltet mich da bitte raus!«
    Wie durch ein Wunder gelang es Rohan, nicht zu erröten und den Blick seiner Schwester ruhig zu erwidern. »Sie tritt auf den Plan, wenn und falls es mir passt.«
    »Wag das ja nicht«, warnte sie ihn. »Du bist diesem Thema – und vor allem ihr! – den halben Sommer über ausgewichen, und ich bin es leid! Niemand hat das arme Mädchen länger als auch nur einen Augenblick gesehen, seit sie hierhergekommen ist. Sie sieht schrecklich unglücklich aus. Welches Spiel auch immer du spielen magst, Rohan, sie ist zu gut dafür.«
    »Wenn sie eine so feine Lady ist, dann ist sie ohnehin die Falsche für mich«, gab er brüsk zurück. »Ich suche kein Opfer, Tobin. Ich brauche eine Frau und eine Prinzessin. Ich will dasselbe, was auch du mit Chay hast. Wie hätte ich euch all die Jahre beobachten können, ohne für mich dasselbe zu erhoffen? Aber wenn wir einander nicht ebenso trauen können, wie ihr das könnt, du und Chay, dann muss ich eine andere finden. Und da du es schon erwähnst: Sie hat auch noch keinen Entschluss gefasst, was mich angeht.«
    »Hast du überhaupt schon mit ihr geredet? Gütige Göttin, Rohan, weißt du überhaupt, was sie denkt oder fühlt?«
    »Tobin«, meldete Chay sich leise, »lass ihn.«
    »Sie hat wahrscheinlich schon Angst davor, einfach nur in die Halle zu kommen, weil du sie wieder zurechtweisen könntest! Sie hat Stolz, Rohan …«
    »Ich auch!«, erinnerte er sie betont. »Ich denke gar nicht daran, hinter einer dummen Frau herzulaufen, die sich nicht einmal entscheiden kann, ob sie mich will oder nicht!« Er stellte sein Weinglas ab und erhob sich. »Es ist schon spät, und ich habe morgen noch eine Menge zu tun.«
    »Dieses Gespräch ist noch lange nicht zu Ende!«, tobte seine Schwester.
    »Lass ihn«, warnte Chay, diesmal mit festerer Stimme.
    Sie funkelte beide wütend an. »Ach, dann geh doch! Wenn du mir schon nichts erzählen willst, dann weigere ich mich, mich länger mit dir abzugeben, damit du deinen Spaß haben kannst!«
    »Aber so viel Spaß habe ich den ganzen Sommer über nicht gehabt«, antwortete er unschuldig. Dann wich er zurück. »Chay! Halt sie fest, ehe sie mich umbringt!«
    »Sie festhalten? Ich werde ihr helfen!«
    Rohan flüchtete eilends und lachend aus Tobins Gemächern. Er ging jedoch noch nicht zu Bett. Schnell lief er über die Treppe in den Garten hinab und schlenderte die Kieswege zum Teich entlang. Der Springbrunnen war seit dem Tod seines Vaters nicht mehr in Betrieb; Milar konnte das funkelnde Schauspiel, das sie zur Freude ihres Gatten geschaffen hatte, vor ihrem Fenster nicht ertragen. Rohan bückte sich, spritzte sich Wasser ins Gesicht und setzte sich dann auf eine Bank, um auf Sioned zu warten.
    Es war schon geraume Zeit her, dass sie sich auf diese Weise getroffen hatten. Walvis hatte ihm immer die Nachricht übermittelt, dass die Dame zu müde sei oder zu beschäftigt oder einfach nicht in der Lage, sich heimlich davonzustehlen. Ihre Absagen gingen immer mit respektvollen Entschuldigungen einher, aber Rohan hatte inzwischen genug davon. An diesem Nachmittag hatte er Walvis in ihr Zimmer geschickt, als die Hitze des Tages am größten war und jeder halbwegs vernünftige Mensch sich zurückgezogen hatte, um die Zeit bis zum Abend irgendwie zu überstehen. Die Nachricht war kurz und bündig gewesen: Seine Gnaden

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