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Sonnenlaeufer

Sonnenlaeufer

Titel: Sonnenlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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Prinz Rohan verlangt von Lady Sioned, dass sie ihn um Mitternacht in der Nähe des Teiches treffen möge. Rohan hatte sich gefragt, ob sie es wagen würde, ihm auch diesmal abzusagen. Diesmal hatte sie es nicht getan. Daraufhin war er den ganzen Tag über von fiebriger Ungeduld besessen gewesen. Er sehnte sich danach, sie wieder einmal allein zu sehen.
    Er schaute sich um und sah überall Anzeichen des schwindenden Sommers – Gras, das tapfer gekämpft hatte, jetzt aber trocken und gelb war, reifende Früchte an den nahen Bäumen. Die Jungtierjagd rückte näher, wenn der Sommer zu Ende ging, und Rohan musste in diesem Fall den unentschlossenen Prinzen nicht einmal spielen. Er wusste wirklich nicht, was er tun sollte, wenn der Tag kam. Ein einziges Mal hatte er an einer solchen Jagd teilgenommen, und ihm war übel geworden, als die schlüpfenden Drachen abgeschlachtet wurden, sobald sie aus den Höhlen ins Sonnenlicht krochen. Aber es wurde von ihm erwartet, dass er daran teilnahm und dem Gemetzel applaudierte – und selber auch viele Tiere tötete. Sein Vater hatte das immer getan; und dessen Vater davor auch.
    Er wandte das Gesicht dem sternenübersäten Himmel zu und überlegte, wann die Drachenweibchen wohl ihre Wachtposten in Rivenrock verlassen würden. Ihretwegen konnte sich niemand den Höhlen nähern und die Mauern durchbrechen, um an die Eier zu gelangen. Doch wenn die Weibchen erst einmal fort waren, würde es nur noch wenige Tage dauern, bis die Jungen schlüpften. Alle sahen im Drachentöten einen wundervollen Sport. Rohan stand auf und fing an, unruhig auf und ab zu gehen. Er fühlte sich hilflos, weil er nicht wusste, wie er dem Gemetzel schon in diesem Jahr entgehen sollte.
    »Du verlangtest mich zu sehen?« fauchte eine wütende Stimme in der Dunkelheit, und er fuhr zusammen. Sioned tauchte aus dem Nichts auf, bebend vor Zorn. »Man hat allerdings versäumt, mich darüber zu informieren, dass ich lediglich eine von vielen unter Euren Bediensteten bin, Herr!«
    An die Wutausbrüche der beiden anderen Frauen in seinem Leben gewöhnt, fiel es Rohan leicht, Sioneds Zorn ruhig zu begegnen, wenn auch mit einer gewissen Belustigung. »Ich habe dich mehrfach höflich gebeten, aber da bist du nie gekommen. Ich dachte, ein Befehl würde dich aus der Reserve locken – und sei es, dass du mich auch nur anbrüllst.«
    »Wie kannst du es wagen, mich herumzukommandieren, als würde ich dir gehören! Wenn du mir jemals wieder eine solche Nachricht zukommen lässt, werde ich dafür sorgen, dass du nicht in der Lage sein wirst, für irgendeine Frau den Gatten zu spielen, und schon gar nicht für mich!«
    Sie sah aus, als meinte sie es ernst, und das hatte er bei den Temperamentsausbrüchen seiner Mutter oder Schwester nie bemerkt. Offensichtlich gab es solche und solche Wut, grübelte er. Er würde nie wieder den Fehler machen, Sioned an anderen Frauen zu messen. Doch sein eigener Stolz verlangte eine entsprechende Erwiderung, die er in ebenso scharfen Tönen von sich gab. »Wenn ich Euch zu sehen wünsche, meine Liebe, dann werdet Ihr kommen, ganz gleich, welcher Art der Ruf ist.«
    »Aber ich wünsche Euch nicht zu sehen!«
    »Warum bist du dann gekommen?«
    Im Gegensatz zu allem, was er von wütenden Frauen erwartete, schrie sie ihn nicht an, schlug ihn auch nicht ins Gesicht, ja, stürmte nicht einmal davon. Stattdessen seufzte sie auf und unterdrückte ein Kichern. »Jetzt hast du mich«, gab sie reumütig zu. »So viel zu einem guten Kampf!«
    Rohan starrte sie völlig überrascht an, und seine Verblüffung wuchs noch, als sie nur die Schultern zuckte und seufzte.
    »Ich musste dich sehen, Rohan. Ich erhasche immer wieder einmal einen flüchtigen Blick auf dich, aber du bist immer beschäftigt, und ich kann dich nicht erreichen. Ich habe ein Treffen bislang immer abgelehnt, weil ich dir keine zusätzliche Last sein wollte. Du hast schon so genug Sorgen mit den Vasallen hier und den Vorbereitungen zum Rialla und allem.«
    Auf einmal wurde ihm bewusst, dass das Feuer auch so angenehm warm sein konnte wie ein Kamin an einem kalten Winterabend. »Sioned, du bedeutest nie eine Last für mich. Du bist das einzige Versprechen, das ich für die Zukunft habe.« Er legte leicht den Arm um ihre Schulter, und sie lehnte sich an ihn. Er lächelte, als er seine Wange an ihr Haar legte.
    »Danke. Ich verzeihe dir fast, was du über meine Ausbildung gesagt hast. Und wenn wir schon dabei sind: Ich habe mit Urival gelernt. Es

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