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Sonnenscheinpferd

Sonnenscheinpferd

Titel: Sonnenscheinpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steinunn Sigurðardóttir
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herunterhängenden Geburtstagsschleifen sahen aus der Tüte heraus.
    Vielleicht möchtest du sie ja behalten, sagte er.
    Er legte die Tüte mit diesen hässlichen und saudämlichenZopfstümpfen auf den Küchentisch, sie waren natürlich vom Fußboden im Friseurladen total verdreckt. Am besten würde man sie ins Meer werfen, oder besser noch verbrennen.
    Harald stand direkt neben mir und dem Friseur, während geschnippelt wurde, wahrscheinlich sicherheitshalber, weil es gestern so gelaufen war.
    Als Guðmann mit dem Schneiden fertig war, sagte er, ich hätte jetzt einen Bubikopf. Das sei sehr modisch. Ich hatte keine Ahnung, was das Wort bedeutete, aber es war genauso scheußlich wie der Haarschnitt.
    Sehr hübsch, sagte Harald, das ist sehr hübsch.
    Guðmann steckte die Schere in die Tasche und bat um Besen und Kehrblech.
    Äh, einen Augenblick, sagte Harald, der keine Ahnung hatte, wo Magda solche Dinge aufbewahrte.
    Ich holte Besen und Kehrschaufel für Guðmann, betrachtete die Haarschnipsel auf dem Küchenfußboden und fand es absurd, dass ein Friseur in der Sjafnargata den Fußboden kehrte.
    Mummi verpasste ihm den Namen
Guðmann Zopfdieb
. Als wir beide damit angefangen hatten, im elektrischen Schaukelstuhl auf dem Dachboden Hinrichtungen vorzunehmen (trotz Ragnhilds negativen Äußerungen über Todesstrafen und Elektrische Stühle), wurde Guðmann ab und zu wegen Zopfdiebstahls hingerichtet.

    Als es darum ging, die Zöpfe zu entsorgen, erwies sich das als keineswegs unproblematisch. Mummi verhinderte, dass ich sie noch am selben Tag, als ich wieder aufwachte, verbrannte. Er meinte, das würde bestimmt genauso scheußlich stinken wie beim Schlachthof, wenn dort Schafsköpfe gesengt wurden. Oder das Haus könnte in Flammen aufgehen.
    Stattdessen schlug er vor, sie ins Klo zu werfen und abzuziehen.Ich wusste, dass man das nicht durfte, weil das Klo verstopfen konnte. Auch sein nächster Gedanke, nur einen Zopf auf einmal runterzuspülen, gefiel mir nicht, denn Magda hatte mir noch nicht einmal gestattet, zusammengedrehte Haare ins Klo zu werfen, wenn sie mit dem Flechten fertig war, geschweige denn mehr.
    Der Idee, die Zöpfe ins Meer zu befördern, stand ein unüberwindliches Hindernis im Weg – das Meer war so weit weg. Wir überlegten eine Zeitlang, ob der Hafen in Frage käme, doch das war kein richtiges Meer, und dort waren zu viele Schiffe. Mummi schlug den Stadtteich vor, aber das war auch kein anständiges Meer, da wimmelte es von Enten und von Menschen, die sie mit Brot fütterten, und es würden bestimmt nur ausgesprochene Vollidioten auf die Idee kommen, die Enten zu verstören, indem man etwas anderes als Brot in den See warf.
    Wir waren eigentlich mit unserer Weisheit so ziemlich am Ende, als mir endlich einfiel, dass die Nauthólsvík-Bucht richtiges Meer war und genau der passende Ort, um Zöpfe zu entsorgen. Damit war Mummi sehr einverstanden, sie hingen nämlich an einem Kleiderhaken in seinem Zimmer, und er konnte es kaum erwarten, sie loszuwerden.
    Bloß weg mit dem hässlichen Gebammel, sagte er, mit spitzem Zeigefinger auf die zerwuselten Zöpfe deutend, die ihrer Vernichtung harrten.
    Damals regnete es dauernd, und wir mussten mit unserer Expedition auf einen schönen Tag warten. (Magda hatte uns das Wetter beigebracht, genau wie alles andere, die Uhr, die Buchstaben.)
    Eines Morgens machten wir uns auf den Weg, nachdem wir im Garten in alle Richtungen nach dem Wetter Ausschau gehalten hatten. Kein Wölkchen am Himmel. Mummi übernahm die Führung, er klemmte sich die Tüte mitden Zöpfen unter den Arm, sodass die Enden mit den himmelblauen Schleifen nach hinten raushingen und hin und her schlenkerten.
    Der Weg führte uns gefährlich nahe am Krankenhaus und Ragnhilds Station vorbei, und ich bildete mir ein, sie an einem Fenster auftauchen zu sehen. Meine Befürchtung war, dass sie hinter uns herkommen und unser Vorhaben vereiteln würde. Den ganzen Weg bis Nauthólsvík blickte ich häufig verstohlen über die Schulter zurück.
    Mummi überreichte mir feierlich die Tüte mit den Zöpfen, als wir am Spülsaum der Bucht die richtige Stelle gefunden hatten. Ich bereitete armeschwingend den Wurf vor, denn das Zeug sollte so weit wie möglich aufs Meer hinaus fliegen. Die Zöpfe trennten sich im Flug von der Tüte, und man hörte ein schwaches Klatschen, als sie im Wasser landeten. Ich beobachtete erstaunt, dass sie nicht gleich untergingen, sondern halb über und halb unter Wasser

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