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Sonnenscheinpferd

Sonnenscheinpferd

Titel: Sonnenscheinpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steinunn Sigurðardóttir
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darin recht.
    Es ist vorbei, sagte Nellí und lächelte noch mehr.
    Sie wäre also nicht mehr am liebsten nicht geboren worden. Das passte zu dem Glück in den Büchern aus der Stadtbücherei, wenn schreckliches Missgeschick hinter einem lag, obwohl das nie so weit ging, dass die armen Menschen Gras fraßen wie Tiere – solche Geschichten endeten jedes Mal, wenn man sie las, gut, gleichgültig wie schlimm sie begannen und wie entsetzlich schwarz die Aussichten zeitweilig waren.
    Jetzt würde Nellí Dór wiederbekommen, wo sie doch nicht mehr voll war, und falls erforderlich, würde man selbstverständlich auch einen Vater für sie finden können. Dór würde es gut bei ihrer Mama haben, auch wenn die bitterarm war und in einem einzigen Zimmer lebte, das stark an eine ordentliche, aber ziemlich leere Abstellkammer mit Herd erinnerte, denn diese Mama strich ihr über die Wange und brachte ihrer Tochter alles über doppelte Arbeit mit Hauptsünden bei, die man vermeiden musste, wenn man eineneigenen Haushalt führte. Sie hatte sogar ein Foto von ihr auf dem Tisch. In der Sjafnargata gab es kein Foto von mir oder Mummi. Falls ich ein Mädchen bekäme, wenn ich erwachsen war, würde ich ein Bild von ihr auf dem Tisch haben, damit sie am Tisch sitzen könnte und messen, wie viel länger ihre Zöpfe seit dem Foto geworden waren.

    Als ich mich bedankte und verabschiedete, bat Nellí mich, morgen nicht zu kommen und auch nicht übermorgen oder überhaupt in der Woche, sie würde nicht zu Hause sein.
    Ich möchte nicht, dass du mich besuchst, wenn ich nicht zu Hause bin.
    So drückte sie sich aus.
    Sie nahm meine Hand, gab mir einen Kuss auf die Wange und sagte, ich sei ein außerordentlich liebes Mädchen.
    Als ich nach Hause ging, war ich fast so gut gelaunt wie zu Magdas Zeiten. Jemand hatte gesagt, ich sei ein außerordentlich liebes Mädchen, da spielte es keine Rolle, ob diese Person einen lächerlichen Spottnamen hatte. Sie hatte mich mit Pfannkuchen und heißer Schokolade bewirtet, obwohl niemand Geburtstag hatte. Am wenigsten ich, denn mein Geburtstag wurde nicht mehr gefeiert, seit Magda gegangen war. Zum achten Geburtstag bekam ich aber ein Geschenk. Die Uhr mit den Jodelgeräuschen, die Harald in der Schweiz gekauft hatte.

    Die beiden, die sich selbst Papa und Mama nannten und von ihren Kindern Harald und Ragnhild genannt wurden oder Das Ehepaar, waren extrem geistesabwesend. Es war unbegreiflich, wie sie durchs Leben kamen, ohne sich darin umzubringen, und das in einem Cadillac, von dem sie nicht wussten, wo er anfing und wo er aufhörte. Sie fuhren bei Rot über die Ampel, brachen sich entgegen der Fahrtrichtungdurch Einbahnstraßen Bahn und verbeulten überall in der Stadt parkende Autos, ohne es zu merken.
    Harald und Ragnhild merkten auch nie, wenn irgendwo flaches Gelände endete, an Stufen oder Bürgersteigkanten beispielsweise. Sie stolperten auf dem Weg nach oben oder stürzten nach unten, je nachdem, wie die Geländestufe lag. Sie mussten sich dauernd gegenseitig verpflastern. Hansaplast, Kompressen, Spiritus und Schere waren die einzigen Dinge, an denen es in der Sjafnargata nie mangelte. Das war natürlich günstig, wenn ich Mummis Blessuren verbinden musste.
    Das Ehepaar sperrte sich einmal pro Woche aus, doch es überraschte sie immer wieder aufs Neue. Ich sehe sie vor mir, wie sie mit weit aufgerissenen Augen völlig perplex vor der verschlossenen Haustür in der Sjafnargata standen – nirgendwo ein Schlüssel, um sie aufzuschließen.
    Die beste Möglichkeit, ins Haus zu kommen, war durch das Fenster in meinem Zimmer. Das war aber zu schmal, als dass Erwachsene sich hindurchzwängen konnten. Kinder, die klein genug waren, konnte man mit den Füßen zuerst hineinkriechen lassen, doch fiel es nicht immer leicht, von innen die Tür für Das Ehepaar zu öffnen.
    Ich begreife nicht, weshalb ich die Schlüssel im Bad vergessen habe! (Was haben Schlüssel überhaupt im Bad zu suchen, ich würde nie mit Schlüsseln ins Badezimmer gehen.)
    Das Ehepaar konnte sich sogar in solche Notsituationen hineinmanövrieren, dass sie mitten im Unterricht anklopfen mussten, um mir meinen Hausschlüssel abzuknöpfen. Anschließend war dann ich ausgesperrt und musste mich durchs Fenster in mein Zimmer hineinzwängen. Als ich einen Busen bekam, ging das nicht mehr. Dann war ich gezwungen, auf den Balkon hinaufzuklettern und bei mir zu Hause einzubrechen, obwohl ich nicht schwindelfrei war.
    Harald und Ragnhild geisterten

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