Sonnenstürme
Raum, wo die letzten Vorbereitungen stattfanden. Stumm saß Jora’h auf seinem schwebenden Thron und blickte auf das erschlaffte Gesicht seines Vaters hinab. Dumpfer Zorn brodelte in ihm.
Verrat, Komplotte, Lügen… Wie konnte er all die Dinge ertragen, über die er Bescheid wusste? Jora’h war jetzt Geist, Seele und Galionsfigur des ildiranischen Volkes. Es stand ihm nicht zu, seinen Vater zu verwünschen, aber das hinderte ihn nicht daran…
Der frühere Weise Imperator hatte Selbstmord begangen, im eigenen Tod die einzige Möglichkeit gesehen, seinen Sohn zu zwingen, die grausamen Geheimnisse des Reiches zu erben. Jora’h stand den schrecklichen Offenbarungen noch immer fassungslos gegenüber. So sehr er auch verabscheute, was er erfahren hatte – er verstand die erbarmungslose Logik hinter jenen grässlichen Maßnahmen. Er hatte nichts von der verborgenen Gefahr geahnt, die dem Ildiranischen Reich drohte, auch nichts von der kleinen Chance, dem winzigen Hoffnungsschimmer, den es nur gab, wenn die Experimente auf Dobro fortgesetzt wurden.
Der attraktive Jora’h hatte ein glattes Gesicht und goldenes Haar, zu einem Zopf geflochten, der irgendwann einmal ebenso lang sein würde wie der seines Vaters. Im Lauf der Zeit mochten sich auch seine klassischen Züge verändern, wenn er in die Rolle des gutmütigen, im Chrysalissessel thronenden Herrschers hineinwuchs. Das behütete Leben als Erstdesignierter hatte ihn nicht auf die schrecklichen Geheimnisse vorbereitet. Doch jetzt, durch das Thism, wusste er alles. Es war genau so, wie es sein Vater beschrieben hatte: ein Segen und ein Fluch.
Und jetzt war er gezwungen, den gleichen Weg zu beschreiten, obwohl er sich am liebsten sofort auf den Weg gemacht hätte, um seine geliebte, gefangene Nira wieder zu sehen. An der Entschlossenheit, sie zu befreien, hielt er fest. Wenigstens das war möglich – sobald der Machtwechsel ganz vollzogen war und er eine Möglichkeit fand, den Prismapalast zu verlassen.
Ganz vorsichtig wuschen die Salber die schwere Leiche des früheren Weisen Imperators. Cyroc’hs Fleisch wirkte wie gummiartiger Stoff, der sich leicht von den Knochen lösen ließ.
Bedienstete schnatterten wie verzweifelt und drängten nach vorn, um zu helfen, aber diese Phase der Zeremonie betraf sie nicht, und Jora’h schickte sie fort. Einige von ihnen würden sich vielleicht aus Kummer von einem hohen Turm des Prismapalastes stürzen, doch Jora’hs Elend angesichts der Dinge, von denen er wusste, war noch viel größer. Niemand konnte ihm dabei helfen zu entscheiden, wie er am besten regieren und was er in Hinsicht auf Dobro unternehmen sollte…
»Wie lange dauert es?«, fragte er die Salber.
Die Männer mit den steinernen Mienen sahen auf. »Bei einer so wichtigen Angelegenheit müssen wir besonders gute Arbeit leisten, Herr«, sagte ihr Oberhaupt. »Es ist die bedeutendste Pflicht, die wir jemals erfüllen werden.«
»Natürlich.« Jora’h sah ihnen weiter schweigend zu.
Die Salber trugen spezielle Handschuhe, als sie in Töpfe griffen und ihnen silbergraue Paste entnahmen, die sie liebevoll auf den Leichnam des toten Weisen Imperators strichen. Sie achteten darauf, die ganze Haut damit zu bedecken.
Schon in der Düsternis des Vorbereitungszimmers begann die Paste zu sieden, und Rauch stieg auf. Die Salber arbeiteten schneller, ohne dabei nachlässig zu werden. Als der ganze Körper eingerieben war, hüllten sie ihn in ein undurchsichtiges Tuch und verkündeten ihre Bereitschaft.
»Zum Dach«, sagte Jora’h. »Und gebt den Designierten Bescheid.«
Die Söhne des toten Weisen Imperators und Jora’hs eigene Kinder versammelten sich auf der höchsten transparenten Plattform über den Kuppeln des Prismapalastes. Das Licht multipler Sonnen gleißte auf sie herab.
Während Jora’h im hellen Sonnenschein wartete, dazu bereit, seinen Teil zur Zeremonie beizutragen, musterte er seine Brüder, die früheren Designierten, die von den Splitter-Kolonien des Reiches gekommen waren, trotz des Mangels an Treibstoff für den Sternenantrieb. Jora’hs Söhne – die nächste Designierten-Generation – standen ernst und respektvoll neben ihrem ältesten adligen Bruder Thor’h, der jetzt zum Erstdesignierten geworden war. Pery’h, der Designierte-in-Bereitschaft für den Planeten Hyrillka, stand neben seinem Bruder Daro’h, dem Dobro-Designierten-in-Bereitschaft. Andere warteten bei ihren Onkeln, die sie bald ersetzen würden.
Die Tatsache, dass der
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