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Sonnensturm

Sonnensturm

Titel: Sonnensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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Risiko eben in Kauf nehmen‹, wie wir zu
meiner Zeit zu sagen pflegten – und sich
zurückzulehnen und den Flug genießen.«
    Die Vorbereitungen am Boden schienen nun abgeschlossen zu
sein. Große, hochauflösende Softscreens wurden an
Wänden und Decke wie Rollläden entrollt und zeigten das
Tageslicht. Plötzlich war es, als ob Miriam in einem offenen
Gitterrohrrahmen säße und auf die perspektivisch sich
verjüngende Startbahn schaute.
    Purcell schnallte sich auf einem Sitz an.
»Genießen Sie die Aussicht – aber wir
können die Bildschirme auch ausschalten, wenn Sie dies
bevorzugen.«
    »Sollten Sie nicht im Cockpit sein?«, fragte
Miriam.
    »Welches Cockpit?«, fragte Purcell mit einem
Ausdruck des Bedauerns. »Oh. Die Zeiten haben sich
geändert, Madam. Ich bin zwar der Kapitän auf diesem
Flug. Aber die Boudicca fliegt von allein.«
    Es war alles nur eine Frage der Wirtschaftlichkeit und
Zuverlässigkeit; automatisierte Regelsysteme waren viel
leichter zu installieren und zu pflegen als ein menschlicher
Pilot. Es widersprach nur dem menschlichen Instinkt, sagte Miriam
sich, die ganze Kontrolle an eine Maschine zu delegieren.
    Und dann war plötzlich der Startzeitpunkt gekommen. Das
Flugzeug schüttelte sich, als die mächtigen Triebwerke
an den Flügelspitzen anliefen – eine unsichtbare Hand
drückte Miriam in den Sitz, – und die Boudicca wurde wie ein Speer über die lange Startbahn
geschleudert.
    »Keine Sorge«, rief Purcell über das
Motorengeräusch. »Die Beschleunigung wird nicht
schlimmer sein als bei einer Achterbahnfahrt. Deshalb darf ich
wohl noch immer Dienst tun. Wenn ein alter Kerl wie ich das
aushält, dann Sie erst recht…!«
    Ganz unspektakulär hob die Boudicca ab und schwang
sich in den Himmel.
     
    Das Stadtgebiet von London breitete sich unter Miriam aus.
    Sie orientierte sich am chromschimmernden Band der Themse und
peilte Westminster an der scharfen Biegung des Flusses an –
die Stelle, an der Julius Cäsar der Legende zufolge die
Themse erstmals überquert hatte. Je höher sie stieg,
desto umfassender wurde ihr Blick auf Greater London: Kilometer um Kilometer von Häusern und Fabriken, ein Boden
aus Beton und Asphalt und Ziegelsteinen. Im Licht des
Frühlingsmorgens glichen die Vorstadtstraßen
Blumenbeeten, sagte Miriam sich, mit ziegelroten Blüten, die
in der Sonne glänzten. Sie konnte die Straßen
erkennen, die sich in kleinen Knoten kreuzten, Überreste von
Dörfern und Farmen, die zum Teil noch aus der Zeit der
Angelsachen stammten und durch die städtische Zersiedelung
verschluckt worden waren. Miriam war in Frankreich auf dem Land
aufgewachsen und trotz ihrer Karriere dem Stadtleben abhold. Aber
London aus der Luft war wirklich ein sehr schöner Anblick,
sagte sie sich – was reiner Zufall war, denn die Stadt war
nicht nach ästhetischen Kriterien geplant worden und
trotzdem eine Schönheit.
    Als sie noch höher stieg, sah sie über dem Herzen
der Metropolis die große Kuppel aufragen – das
riesige Gerüst, das alle Schichten dieser Historie
schützen sollte. Sie war froh über die Existenz der
Kuppel, denn es brandete eine Woge der Zuneigung für die
große, hilflose Stadt gegen sie an, die unter ihr
ausgebreitet lag, und sie fühlte sich in der Pflicht, alles
Unheil von ihr abzuwenden.

 
{ 24 }
GDO
     
     
    Die im lichtdurchfluteten Weltraum leuchtende Aurora 2 war unbestreitbar ein majestätischer Anblick. Aber es war
auch eine komplizierte, schwerfällige Majestät, sagte
Miriam sich. Anders als die Boudicca war dieses Schiff nie
dafür vorgesehen, in einer Atmosphäre zu fliegen
– nicht einmal auf dem Mars –, und hatte deshalb
nichts von der aerodynamischen Eleganz des Raumflugzeugs.
    Die Aurora sah aus wie der Taktstock einer
Tambour-Majorette. Das Rückgrat des Schiffes bildete ein
schlanker dreieckiger Träger mit einer Länge von etwa
zweihundert Metern. Unter Schub wurde der Großteil der
Belastung, die die Aurora auszuhalten hatte, vom
Träger aufgenommen – also war das der stärkste
Teil des ansonsten zerbrechlichen Schiffes und mit Streben aus
nanotechnisch erzeugtem Kunstdiamant verstärkt. Am einen
Ende des Trägers waren Generatoren konzentriert,
einschließlich eines kleinen nuklearen Fusionsreaktors und
eines Ionentriebwerks, dessen sanfter, aber unablässiger
Schub die Aurora bis zum Mars und zurück
befördert hatte. Kugelförmige Brennstofftanks, Antennen
und

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