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Sonnentaucher

Sonnentaucher

Titel: Sonnentaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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Einen Augenblick lang war die weite Fläche ein Gesicht, das funkelnde, faltige Gesicht eines Patriarchen. Das Pulsieren war sein Atem. Das Tosen war der Donner seiner gigantischen Stimme in einem Milliarden Jahre alten Lied, das nur die anderen Sterne hören und verstehen konnten. Die Sonne lebte. Und mehr noch – sie sah ihn an. Sie widmete ihm ihre ungeteilte Aufmerksamkeit.
    Nenne mich Lebenspender, denn ich bin deine ‘Nahrung. Ich brenne, und weil ich brenne, lebst du. Ich stehe fest, und weil ich fest stehe, bin ich dein Anker. Der Raum rollt sich ringsumher, umhüllt mich wie eine Decke, reicht tief hinein in die geheimnisvollen Abgründe meiner Eingeweide. Die Zeit schmiedet ihre Sense auf dem Amboß meiner Schmiede.
    Du lebendes Ding, weiß die Entropie, meine boshafte Tante, von unserer gemeinsamen Verschwörung? Wohl kaum, denn du bist noch zu klein. Dein Wichtelkampf gegen ihre Flut ist wie ein Flattern in einem mächtigen Sturmwind. Und mich hält sie noch immer für ihren Verbündeten.
    Nenne mich Lebenspender, du lebendes Ding, und weine. Ich brenne ohne Ende, und da ich brenne, verzehre ich, was nicht erneuert werden kann. Und während du zierlich nippend von meinen reißenden Strömen trinkst, versiegt allmählich der Quell. Wenn er versiegt, werden andere Sterne meinen Platz einnehmen, doch, oh! – nicht für immer! ‘
    Nenne mich Lebenspender und lache!
    Du, lebendes Ding, du hörst, so heißt es, von Zeit zu Zeit die Stimme des wahren Lebenspenders. Er spricht zu euch, doch nicht zu uns, Seinen Erstgeborenen!
    Hab’ Mitleid mit den Sternen, du lebendes Ding! Singend vertun wir die Äonen in gespielter Freude, während wir uns plagen für Seine grausame Schwester und warten auf den Tag, da du deine Reife erlangst, du winziger Embryo, da Er dich losläßt, auf daß du noch einmal den Lauf der Dinge ändern mögest.
    Jacob lachte tonlos. Oh, was für eine Phantasie! Fagin hatte doch recht. Er schloß die Augen und wartete auf das Zeichen. Exakt sieben Sekunden waren vergangen, seit er den Gipfel der Kuppel erreicht hatte.
    »Jake...« Das war eine Frauenstimme. Er blickte auf, ohne die Augen zu öffnen.
    »Tania.«
    Sie stand neben dem Pionoskop in ihrem Labor, genauso, wie er sie viele Male gesehen hatte, wenn er gekommen war, um sie abzuholen. Braunes, zu Zöpfen geflochtenes Haar, leicht unebenmäßige weiße Zähne, entblößt in einem großzügigen Grinsen, und große, von Lachfalten umkränzte Augen. Mit sicherem, anmutigem Schritt kam sie auf ihn zu und baute sich, die Fäuste in die Hüften gestemmt, vor ihm auf.
    »Das wurde aber auch Zeit!« erklärte sie.
    »Tania, ich... ich verstehe nicht...«
    »Es wurde Zeit, daß du dir mal ein Bild von mir hast einfallen lassen, in dem ich etwas anderes tue, als zu fallen! Meinst du, es macht Spaß, immer und immer wieder das gleiche zu tun? Wieso hast du mich nie zurückgebracht, um noch mal ein bißchen Spaß zu haben?«
    Er erkannte plötzlich, daß sie recht hatte! Zwei Jahre lang hatte er Tania nur in diesem letzten Augenblick gesehen und überhaupt nicht mehr an ihre gemeinsam verbrachte Zeit gedacht.
    »Na, ich gebe zu, dir hat es anscheinend geholfen.« Sie nickte. »Du scheinst diese verdammte Arroganz endlich losgeworden zu sein. Du sollst nur ab und zu mal an mich denken, um Himmels willen. Ich hasse es, wenn man mich ignoriert!«
    »Ja, Tania, ich werde an dich denken. Ich verspreche es dir.«
    »Und höre auf diesen Stern! Denke nicht immer, daß du dir alles einbildest, was du siehst!«
    Ihre Konturen verschwammen, und ihr Bild verblaßte langsam. »Und du hast recht, Jake, Lieber – ich mag sie wirklich. Ich wünsche euch alles...«
    Er öffnete die Augen. Die Photosphäre pulsierte über ihm. Der Fleck starrte ihn an. Die Granulationszellen pumpten träge wie ein ruhig schlagendes Herz.
    Hast du das eben gemacht? fragte er stumm.
    Die Antwort durchdrang ihn, sie bohrte sich durch seinen Körper und kam auf der anderen Seite wieder hervor. Neutrinos zur Heilung von Neurosen. Ein überaus origineller Ansatz.
    Ein kurzer Pfiff ertönte von unten. Bevor es ihm ins Bewußtsein drang, hatte er sich schon in Bewegung gesetzt. Er rutschte lautlos und ohne eine überflüssige Bewegung nach rechts auf das Geräusch zu.
    Er spähte über den Horizont der Kuppel hinweg nach unten auf den Kopf des Culla-ta-Pring-ab-Pil-ab-Kisa-ab-Soro-ab-Hul-ab-Puber.
    Jacob hatte dem Alien die linke Seite zugewandt. Cullas Hand schwebte über dem offenen

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