Sonnentaucher
erkundigte sich Nielsen.
Jacob betrachtete stirnrunzelnd seinen Onkel und dann LaRoque. Der Franzose hatte ungerührt begonnen, wieder an den Hors d’oeuvres herumzuknabbern.
»Diese beiden«, erklärte Jacob, »sind beteiligt an einer Verschwörung, deren Ziel es ist, die Bewährungsgesetze zu unterminieren. Das ist der zweite Grund, weshalb ich Sie hergebeten habe. Es wird etwas geschehen müssen, und für den Anfang ist die Geheimnisregistration immer noch besser als die Polizei.«
Bei der Erwähnung der Polizei hörte LaRoque auf, sein Canape zu mummeln. Er betrachtete den Rest einen Moment lang prüfend und legte ihn dann aus der Hand.
»Was ist das für eine Verschwörung?« fragte Nielsen.
»Es ist eine Gesellschaft, die aus Probanden und gewissen bürgerlichen Sympathisanten besteht, und ihr Zweck ist der geheime Bau von Raumschiffen... Raumschiffen mit Probandenbesatzungen.«
Nielsen richtete sich auf. »Was?«
»LaRoque leitet das Astronautentrainingsprogramm. Er ist außerdem der Hauptspion der Vereinigung. Er hat versucht, die Eichwerte am Gravitationsgenerator eines Sonnenschiffs zu messen. Ich habe Tapes, die das beweisen.«
»Aber warum sollten sie so etwas tun?«
»Warum nicht? Es wäre der machtvollste symbolische Protest, der sich denken läßt. Wenn ich ein Proband wäre, würde ich bestimmt mitmachen. Ich habe Sympathie dafür. Mir gefallen die Bewährungsgesetze nicht. Überhaupt nicht.
Aber ich bin auch Realist. Wie die Dinge liegen, sind die Probanden zu einer Unterklasse gemacht worden. Ihre psychologischen Probleme sind ein Stigma, das ihnen überallhin folgt. Sie reagieren auf eine äußerst menschliche Art – sie versammeln sich und hassen gemeinsam die ›dogmatische und domestizierte‹ Gesellschaft, die sie umgibt. Sie sagen: ›Ihr Bürger glaubt, ich sei gewalttätig – gut, dann werde ich es verdammt noch mal auch sein!‹ Die meisten Probanden würden keiner Menschenseele etwas zuleide tun, was immer ihr P-Test auch ergeben hat. Aber konfrontiert mit diesem Stereotyp, werden sie schließlich, was sie angeblich sind.«
»Das mag so sein oder auch nicht«, antwortete Nielsen. »Aber wenn Probanden in der gegenwärtigen Situation Zugang zur Raumfahrt...«
Jacob seufzte. »Sie haben natürlich recht. Das darf man nicht zulassen. Noch nicht. Andererseits kann man aber auch nicht zulassen, daß die Föderatoren mit dieser Sache die öffentliche Hysterie schüren. Das würde alles nur verschlimmern und zu einer späteren, gefährlicheren Rebellion führen.«
Nielsen machte ein besorgtes Gesicht. »Sie wollen doch wohl nicht vorschlagen, der Rat der Terragenen solle sich mit den Bewährungsgesetzen befassen, oder etwa doch? Aber das wäre Selbstmord! Die Öffentlichkeit würde es niemals hinnehmen!«
Jacob lächelte betrübt. »Stimmt, das würde sie nicht hinnehmen. Sogar Onkel James muß das zugestehen. Der Bürger von heute wird nicht im Traum daran denken, den Status der Probanden zu ändern, und wie die Dinge liegen, hat der Terragenenrat keinerlei Befugnis. Aber was ist denn die Domäne des Rates? Im Augenblick ist es die Verwaltung der extrasolaren Kolonien, und irgendwann werden alle extrasolaren Angelegenheiten der Aufsicht des Rates unterstehen. Und in diesem Bereich kann er sich, mindestens symbolisch, auch an den Bewährungsgesetzen zu schaffen machen, ohne den Seelenfrieden des Bürgers zu stören.«
»Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
»Nun, ich nehme an, Sie haben noch nie Aldous Huxley gelesen, oder? Nein? Seine Bücher waren noch recht populär, als Helene ein Kind war, und meine Vettern und ich wurden... angehalten, einige davon in unserer Jugend zu studieren. Verdammt schwierig manchmal, wegen der fremdartigen zeitgenössischen Referenzen, aber doch lohnend, denn der Mann verfügte über unglaubliche Einsicht und erfrischenden Witz. Old Huxley hat ein Buch geschrieben, das Schöne neue Welt heißt.«
»Ja, davon habe ich schon gehört. Eine Dystopie, nicht wahr?«
»In gewisser Weise, ja. Sie sollten es mal lesen. Es enthält ein paar gespenstische Prophezeiungen. In diesem Roman projiziert er eine Gesellschaft mit einigen ungenießbaren Aspekten, die aber in sich konsistent ist und eine eigene Form der Ehre besitzt – vergleichbar mit der Ethik eines Bienenstocks, aber immerhin eine Ethik. Wenn die menschliche Vielfalt immer wieder Individuen hervorbringt, die nicht in das konditionierte Raster der Gesellschaft passen – was, glauben Sie, tut
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