Sonnentaucher
beendet hatte, strahlte sie zufrieden und revanchierte sich mit einem Bericht über einen Dunklen Stern, der ihm die Haare zu Berge stehen ließ.
Von der Calypso sprach sie, als sei das Schiff Mutter, Kind und Liebhaber zugleich für sie gewesen. Nur für drei Jahre subjektiver Zeit waren das Schiff und seine Besatzung ihre Welt gewesen, aber bei der Rückkehr zur Erde waren sie plötzlich ein Bindeglied zur Vergangenheit. Von jenen, die sie bei ihrer ersten Reise in den Weltraum zurückgelassen hatte, hatten nur die jüngsten auch die Heimkehr der Calypso erlebt, und auch sie waren jetzt alt.
Als ihr das Angebot einer Zwischenstationierung bei Sundiver unterbreitet worden war, hatte sie die Gelegenheit beim Schopf ergriffen. Das wissenschaftliche Abenteuer einer Sonnenexpedition und die Gelegenheit, Führungserfahrungen zu erwerben, waren wahrscheinlich Gründe genug dafür, aber Jacob hatte dennoch das Gefühl, hinter ihrer Entscheidung müsse noch etwas anderes stecken.
Obgleich sie versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen, schien Helene die beiden Verhaltensextreme zu mißbilligen, für die heimkehrende Sternenfahrer berühmt waren – mönchartige Eigenbrötelei oder lärmende Vergnügungssucht. Da war ein Kern von – ›Schüchternheit‹ war das einzige Wort, mit dem es sich beschreiben ließ –, der unter der beredten und kompetenten äußeren Fassade und der lachenden, verspielten Frau hervorlugte. Jacob freute sich darauf, während seines Aufenthaltes auf Merkur mehr über sie herauszufinden.
Das Dinner fand an diesem Tag später statt. Dr. Kepler hatte zu einem formellen Bankett gebeten, und wie bei solchen Anlässen üblich, hatte Jacob den ganzen Abend über kaum Gelegenheit, einen vernünftigen Gedanken zu fassen, da sich beinahe jeder überschlug, um besonders höfliche und schmeichelhafte Dinge von sich zu geben.
Aber die größte Frustration kam von Sundiver selbst.
Jacob versuchte, daSilva, Culla und vielleicht ein Dutzend Techniker zu befragen, und jedesmal bekam er ungefähr die gleiche Antwort.
»Selbstverständlich, Mr. Demwa – aber wäre es nicht besser, darüber nach Dr. Keplers Vortrag zu reden? Dann wird doch alles sehr viel klarer sein...« Allmählich kam ihm das verdächtig vor.
Der Stapel der Unterlagen aus der Bibliothek lag noch immer in seinem Zimmer. Er las – in normalem Bewußtseinszustand – ungefähr eine Stunde lang darin. Während er sich durch die Informationen wühlte, sprangen isolierte Fragmente unversehens ans Licht und glänzten vertraut.
... bisher ebensowenig bekannt, weshalb die Pring eine zweiäugige Spezies sind, denn keine andere eingeborene Lebensform auf ihrem Planeten besitzt mehr als ein Auge. Allgemein nimmt man an, daß diese und andere Unterschiede Ergebnisse der genetischen Manipulation durch die Pila-Kolonisatoren sind. Wenngleich die Pila nur widerwillig bereit sind, anderen als den offiziellen Vertretern des Instituts Fragen zu beantworten, räumen sie doch immerhin ein, die Pring aus ehemals gebückt und auf allen vieren laufenden Baumtieren zu aufrecht gehenden Sophonten gemacht zu haben, die fähig sind, auf Farmen und in den Städten Dienstleistungen zu verrichten.
Die einzigartige Gebißkonstruktion der Pring hat ihren Ursprung in deren vorherigem Status als Baumäser. Sie diente als Werkzeug zum Abschaben der höchst nahrhaften äußeren Rinde der Bäume auf ihrem Planeten. Bei zahlreichen Pflanzen auf dem Planeten Pring ist die Rinde anstelle der Frucht das Organ zur Verbreitung befruchteter Sporen...
Das also war der Grund für Cullas böse Beißerchen! Jetzt, da Jacob ihren Zweck kannte, war das geistige Bild dieser Mahlwerkzeuge irgendwie weniger entsetzlich. Die Tatsache, daß sie eine vegetarische Funktion hatten, war enorm tröstlich.
Als er den Artikel noch einmal las, stellte er mit Interesse fest, wie gut die Arbeit war, die die Bibliotheksfiliale mit diesem Bericht geleistet hatte. Das Original war wahrscheinlich Dutzende, wenn nicht Hunderte von Lichtjahren weit von der Erde entfernt niedergeschrieben worden, und zwar lange vor dem Kontakt. Offensichtlich hatten die Semantikcomputer in der Filiale in La Paz allmählich den Bogen raus, wenn es darum ging, Alienworte und -bedeutungen in sinnvolle englische Sätze zu übertragen, obwohl natürlich in der Übersetzung manches verlorengegangen sein mochte.
Die Tatsache, daß das Institut der Bibliotheken sich nach jenen ersten katastrophalen Versuchen, die dem Kontakt
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