Sonnentaucher
unterdrücken. Es wären faszinierende Empfindungen gewesen, wenn sie ihm nicht schon so vertraut gewesen wären. Eine Zeitlang fuhr er lautlos dahin. Bald versank die Stadt hinter ihm, und vor ihm eröffnete sich freies Gelände; der Straßenverkehr wurde spärlich. Während der nächsten zwanzig Kilometer schien die Sonne warm auf seinen Arm, und ein Geflecht von Zweifeln kreiste in seinem Kopf um und um.
Trotz der Ruhelosigkeit, die er seit einiger Zeit fühlte, zögerte er zuzugeben, daß es an der Zeit war, das Uplift-Center zu verlassen. Die Arbeit mit Schimps und Delphinen war fesselnd und (nach jenen tumulthaften ersten Wochen im Anschluß an die Wasser-SphinxAffäre) auch weit weniger aufreibend, als seine alte Tätigkeit als Detektiv für Wissenschaftskriminalität es gewesen war. Das Personal im Center war engagiert und hatte – im Gegensatz zu vielen anderen wissenschaftlichen Unternehmen, die es heutzutage auf der Erde gab – eine hohe Moral. Die Leute dort verrichteten eine Arbeit von hohem intrinsischen Wert, die nicht in dem Augenblick überflüssig und veraltet sein würde, wenn die Bibliotheks-Filiale in La Paz einmal vollständig in Betrieb genommen wäre.
Aber das wichtigste war, daß er Freunde gewonnen hatte und von diesen Freunden im Laufe des letzten Jahres spürbar unterstützt worden war, als er damit begonnen hatte, in einem langwierigen Prozeß die gespaltenen Teile seines Geistes wieder zusammenzustecken.
Vor allem Gloria. Ich werde etwas unternehmen müssen, wenn ich bleibe, dachte Jacob. Und zwar mehr als das kameradschaftliche tiefe Atmen, das wir bisher miteinander gepflegt haben. Die Gefühle des Mädchens traten allmählich offen zutage.
Vor der Katastrophe in Ecuador, vor dem Verlust, der ihn auf der Suche nach Arbeit und Frieden überhaupt erst ins Center geführt hatte, hätte er gewußt, was zu tun sei, und er hätte auch den Mut dazu gehabt. Aber jetzt waren seine Gefühle der reine Morast. Er fragte sich, ob er jemals wieder in der Lage sein würde, mehr als eine nur beiläufige Liebesbeziehung zu erwägen.
Zwei lange Jahre waren seit Tanias Tod vergangen. Hin und wieder war er einsam gewesen, trotz seiner Arbeit, seiner Freunde und der stets faszinierenden Spiele, die er mit seinem Geist spielte.
Die Gegend wurde hügelig, die Erde braun. Jacob schaute die vorüberziehenden Kakteen an und lehnte sich zurück, um den trägen Rhythmus der Fahrt zu genießen. Sein Körper schwankte mit den Bewegungen leicht hin und her, als befände er sich noch auf dem Meer.
Der Ozean funkelte blau hinter den Hügeln. Je näher die gewundene Straße ihn dem Konferenzort brachte, desto mehr wünschte er sich, dort draußen auf einem Boot zu sein, nach dem ersten buckligen Rücken, der ersten erhobenen Flosse der diesjährigen Grauen Wanderung Ausschau zu halten und dem Lied des Führers zu lauschen, das die Wale sangen.
Er kurvte um einen Hügel und sah, daß die Parkstreifen zu beiden Seiten der Straße von kleinen elektrischen Flitzern wie seinem eigenen besetzt waren. Auf den Gipfeln vor ihm drängten sich Scharen von Leuten.
Jacob lenkte das Fahrzeug auf den automatischen Führungsstreifen an der rechten Seite. Hier konnte er langsam dahingleiten, ohne sich weiter um den Verkehr auf dem Highway zu kümmern. Was mochte hier los sein? Auf der linken Straßenseite waren zwei Erwachsene und mehrere Kinder dabei, einen Wagen zu entladen. Sie nahmen Picknickkörbe und Ferngläser heraus und waren sichtlich aufgeregt. Sie sahen aus wie eine typische Familie auf einem Tagesausflug, nur daß sie allesamt glänzende Silbergewänder und goldene Amulette trugen. Die meisten Leute auf dem Hügel vor ihnen waren in gleicher Weise gekleidet. Viele trugen kleine Fernrohre bei sich und betrachteten damit etwas, das weiter oben an der Straße lag, hinter dem Hügel zur Rechten, so daß Jacob es nicht sehen konnte.
Die Menschenmenge auf diesem Hügel trug stolz ihre Höhlenmenschenkleidung zur Schau. Die komplett ausgestatteten Cro-MagnonMenschen waren allerdings den einen oder anderen Kompromiß eingegangen; auch sie waren mit Teleskopen ausgerüstet, mit Armbanduhren, Radios und Megafonen zur Unterstützung ihrer Feuersteinäxte und Speere.
Es war nicht überraschend, daß die beiden Gruppen sich auf gegenüberliegenden Hügeln sammelten. Der einzige Punkt, in dem ›Hemden‹ und ›Häute‹ je einer Meinung waren, war ihr Haß gegen die Extraterrestrische Quarantäne. Ein riesiges Schild
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