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Sonnenwanderer

Titel: Sonnenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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Irdischen Raums und die Oberlichter des Merkur-Palasts zeigten nur noch ein bleiches, trübe getüpfeltes Nichts, das bestenfalls an gefrorenen Rauch erinnerte; und alles schmeckte anders, aber niemand konnte den Geschmack genau beschreiben.
    Käpt’n Jute setzte sich zurück und lächelte eine Art selbstgefälliges, postorgasmisches Lächeln; das Hallo ringsherum schien sie nicht zu erreichen. Sie berührte ein Kontrollfeld, trimmte ein paar ausscherende Achsenkoordinaten und legte den Schub schlafen. »Na also, Alice«, sagte sie. »Auf Alice ist Verlass, Mister Spinner.«
    »Kann man so sagen, Ma’am.«
    Dodger Gillespie schaute Tabea zu, sie war beeindruckt. Das Kind war ein Star. Außerdem schien sie gute Code-Jockeys zu haben; Leute, die wie selbstverständlich das nächste Jahr damit zubringen würden, die zahllosen Zeichenketten zu verknüpfen, die exotische Programmierer aufgedröselt hatten. Sie drückte den Hemdsärmel an die Wange und stellte fest, dass sie schwitzte.
    »Du brauchst einen Drink«, sagte sie.
    »Nein«, meinte Tabea. »Ich brauche jede Menge Drinks. Wir sind weg, hurraaaaa!« Damit sprang sie auf und begann zu schreien, und alle anderen stimmten ein, lauter als zuvor, aufeinandergestützt und mit Wattebausch unter der blutenden Nase. Leute drängten ihr Geschenke auf, Flaschen und Pülverchen und Kuchen, lauter mit Vorsicht zu genießende Sachen.
     
    Die Party war in vollem Gange, als Dodger Gillespie sie schließlich überreden konnte, mit ihr zu gehen. Sie musste Tabea beim Arm nehmen und aus der Menge zerren. Doch Tabea bestand darauf, erst noch ihre Magnetplatte zu holen.

    »Kennst du Rory’s?«, fragte Dodger auf dem Weg zum Ausgang.
    »Wer ist Rory?«, sagte Tabea.
    »Wirst schon sehen - falls er noch da ist.«
    Dodgers Tonfall verriet aber, dass sie fest damit rechnete. Ein anderes Problem war, ob sie noch dorthin fand. Die Dinge blieben nicht immer da, wo man sie zurückließ, nicht in Plenty.
    Vielleicht war das der Grund, warum Tabea die Magnetplatte immer mitnahm.
     
    Sie fuhren durch die Edental-Kuppel und bogen noch vor dem Aquädukt ab. Weiter weg, in den abgelegenen Bereichen nach achtern zu, lagen die großen Reservoire, die Hindernisstrecken und die Kavernen der Unordnung mit ihren fiependen virtuellen Infernos. Käpt’n Gillespie staunte, wie abrupt sich die Vegetation während der Jungfernfahrt dieses Bienenstocks vermehrt hatte. Von den niedrigen Dächern der Fußtunnel hingen lauter graue Büschel, die an Dschungelmoos erinnerten. Träge Wellen aus Geißblatt und rotem Marskraut brachen sich überall an den Wänden, auf der verzweifelten Suche nach Sonne.
    In den Schächten jenseits von West Asgard entstanden immer mehr Verschläge, gefährliche Balkone aus Wellplastik, Schaumstoffplatten und Aluverkleidung. Die Leute kletterten Leitern hinauf und hinunter, schleppten Kleider und rostige Haushaltsgeräte. Flüchtlinge, die sich inmitten von Altmaterial ein neues Leben aufbauten; die Enteigneten von Asteroid 000013, die hier ihren Platz gefunden hatten. Sie nisteten oben oder unten in den Wandnischen wie Stare in den Klippen, sie verständigten sich durch Zurufe und schwenkten ihre zerlumpten schwarzen Fahnen.
    »Schau sie dir an«, sagte Dodger.

    Tabea schaute hin. »Es geht ihnen gut«, sagte sie nur.
    »Ich bin seit einer Ewigkeit nicht mehr hier gewesen«, sagte Dodger. Sie rückte sich auf dem Sitz der Liftkabine zurecht. »Du kennst das Trivia nicht?«
    »Welches Trivia?«
    »Rory‘s Bar.«
    »Ich war noch nie hier«, sagte Käpt’n Jute kurz angebunden. »Ich hatte noch keine Zeit, mich umzusehen.« Tabea war genervt, weil sie das immer und immer wieder zugeben musste, vor Interviewern, Fans oder anderen Neugierigen. Für Tabea war Plenty immer ein Ort gewesen, den man besser mied; ein Ort, wo man nur in Schwierigkeiten kam. Und das war sie bereits, beim Bodensatz ihrer Tasche!
    Der Lift bog um eine Ecke und wurde von einem engen Schacht verschluckt. Tabea sah ihr Spiegelbild vor der vorbeihuschenden Finsternis. »Ich seh scheiße aus«, sagte sie, rieb ein Loch in den Schmutz und kicherte verlegen. Sie sah wirklich ein bisschen mitgenommen aus. Zwei Kilo hatte sie verloren, und die säurehaltige Spucke wütender Capellaner hatte hier und da ihr Haar gelichtet. Sie tastete nach den kahlen Stellen.
    »Wo willst du wohnen?«, fragte sie.
    »Im Trivia«, antwortete Dodger.
     
    Das Trivia war, wo es immer schon gewesen war, oberhalb der Ecke, wo

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