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Sonnenwanderer

Titel: Sonnenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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mehr zu sehen, dafür ein Schwarm sich drehender Windräder.
Geneva McCann unterhielt sich mit einem Vespaner, der meinte: »Uns hat Capella freigelasse. Mar ihr solltet hier bleibe.« Er klatschte die Flosse auf die Bar, um das Gesagte zu unterstreichen, und neigte sich mit kreiselnden Augen zu ihr hin. »Was hält Capella von diese Trip?«, fragte er sichtlich bekümmert.
    Geneva McCann spreizte die Hand auf ihrem Busen, sie war entsetzt. »O mein Gott...«, sagte sie, dann ließ sie ein Lächeln aufblitzen, gefolgt von einem automatischen Lachen.
    Tabea sah die Akrobatin kommen. »He, Sarah«, schrie sie, sprang vom Tisch, schloss Sarah in die Arme und gab ihr einen kräftigen Schmatz.
    »Ich hab dein Auto«, schrie die Akrobatin ihr ins Ohr.
    »Jetzt können wir zum Ball fahren«, wandte sich Tabea an ihre ausgelassenen Kameraden. Sie machte Sarah mit Dodger Gillespie bekannt, die Sarah eingehend musterte. »Du kriegst sie nicht«, warnte Tabea.
    »Hör auf sie«, meinte Dodger zu Sarah. »Dieses Mädel hat die Welt geklaut.«

4
    Es blieb sehr heiß. Die Vegetation machte sich breit, versperrte Treppenhäuser und überwucherte Terrassen. Die Palerner wurden nervös und bissen einander. Die Kecks hatten sich in ihre Bauten zurückgezogen und waren durch ihre Kriechröhren ins Unbekannte verschwunden.
    In den Wohnquartieren rückten die Leute dicht zusammen, zogen hierhin und dorthin, als gehorchten sie unsichtbaren Strömungen. Die meisten Wohnungen standen leer, nur in den Geschäftsräumen brannte immerzu Licht, sie waren wie Lagerfeuer
in einer dämmrigen Prärie: die Bars und die Hologyms, die Chili-Chalets und Wir-servieren-überall.
    Trotzdem, wie der Verwaltungsrat vorausgesehen hatte, legten sich immer mehr Leute zur gleichen Zeit schlafen. Ganze Bezirke schliefen schlagartig ein, als wäre ein einschläferndes Gas am Werk oder ein eigensinniger zirkadianischer Reflex, ausgelöst durch die Vibrationen einer transspeziellen Unterschalldrohne. Der Verkehr schlief ein, auch der Sprechverkehr. In der Schlafpause, mitten im Ambiente dieser grotesken Unterwelt, war es leicht vorstellbar, irgendwie in die Nische eines mittelalterlichen Jenseits verschlagen worden zu sein, dem »Inferno« um drei Uhr morgens.
    Die Montgomery-Kluft lag verwaist, ihre katakombenartigen Bogengänge waren den Schatten überlassen. Ganz oben backbords, vom allerletzten Schimmer einer Biofluoreszenzröhre auf der Sohle erfasst, kletterten zwei Leute den mit Fußangeln überwucherten Pfad hinauf. Ein Mann und eine weibliche Person. Er trug eine kleine blaue Reisetasche. Sie eine Leiche.
     
    Sie waren zu einem Apartment unterwegs, das er ausgesucht hatte. Da war nichts Besonderes oder Charakteristisches an dem Apartment. Es war nur ein Platz, wo man etwas aufbauen konnte, wo man Einzelteile zusammensetzen konnte.
    »Nächste Abzweigung«, sagte der Mann.
    Die Frau folgte ihm, schnaufte leise unter ihrer Last. Ihre großen Haftfüße in den dicken Sperrholzsandalen zermalmten das Gewirr aus feingezähnten Ranken.
     
    In dem kahlen Apartment stand der Mann, nun die Hände in den Taschen, und sah sich um. Spärliches, zweckmäßiges Mobiliar verlieh dem Ort etwas Provisorisches; schwarze, quadratische
Löcher im Putz spien steife Quasten aus farbigen Drähten aus - alles, selbst die blaue Reisetasche, die er auf den Boden gestellt hatte: Alles sah nach Durchreise aus.
    Der Mann trug einen neutralen, aber makellosen grauen Feinkordanzug und eine kleine, randlose Brille. Er hatte viele Namen getragen, wenige für längere Zeit. Momentan hieß er Grant. Er war Grant Nummer eins, Grant Nichtsweiter.
    Da war ein Spalt in der Wand, durch den man in eine andere Kammer blickte, die ein Fenster besaß, das über die Kluft auf eine andere Wand blickte, hinter der wieder andere Apartments lagen. Sie waren allesamt leer. Auch treppauf war niemand, das hatte er persönlich überprüft; er war durch die düsteren Flure gegangen und hatte die Türen aufgestoßen und nichts als verwaisten und vom Staub ergrauten Besitz gefunden.
    »Ja«, sagte er. Er sagte diese Silbe, als sei damit eine Frage beantwortet oder etwas Grundsätzliches bestätigt.
    Die Frau beobachtete ihn, ohne zu blinzeln. Eine Zecke regte sich in ihrem Fell, und ein Ohr juckte. Sie hieß Jogo. Sie war eine Schrantin. Die Leiche auf ihren Schultern: ein toter Polizist.
     
    »Also gut«, sagte der Mann. »Leg ihn ab.«
    Die Frau legte den toten Polizisten mit dem Rücken auf den Boden. Er

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