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Sonnenwanderer

Titel: Sonnenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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Wohlstands- und Pfauenstraße auf die dritte Straße stießen, die einfach nur Grüne Laterne hieß. »Daher Trivia«, machte Rory den Leuten immer weis. »Drei Wege. Das sei Latein. Dabei ist ›Trivia‹ Englisch und heißt so viel wie ›Bagatelle‹.«
    Sein Etablissement, brüstete Rory sich gerne, sei die einzige richtige Bar in der ganzen schmuddeligen Billig-Mieten-Station gewesen, die während der Entführung und des ganzen Aufruhrs
danach geöffnet geblieben war. Als der Antrieb angesprungen sei, sei nicht ein einziges Glas zerbrochen, behaupteten Rory und seine Stammgäste. SCHNELLER ALS DAS LICHT?, stand hinter der Bar zu lesen und darunter: WAREN WIR SCHON IMMER.
    Tabea Jute und Dodger Gillespie kamen die Pfauenstraße herauf; von dort führte eine gewundene Treppe mit schmalen Stufen unter einem schiefen Rundbogen hindurch in einen kleinen, weiß getünchten Hof. Es gab einen zentralen Laternenpfahl, der mit Reservekabeln behängt war, und einen altmodischen Trinkbrunnen mit Fußpumpe. Hinter einem winzigen, rot gefliesten Patio mit einem winzigen Zaun ringsum gab es Türen aus Rotholz und Glas, so dunkel wie geschmolzener Karamell. Dahinter huschten Lichter und Schatten und spielte laute Musik.
    Käpt’n Jute war verwirrt. Sie meinte einen Moment lang, auf einem Planeten zu sein, auf der Erde, wo sie flach war, Griechenland oder Marokko. Sie roch Gras und Sand, Gewürz und Abwasser, die Luft war heiß und trocken...
    Sie sah auf. Über einem Balkongitter hingen Teppiche. Hinter den Gittern heruntergelassene mattgrüne Plastikjalousien. Über allem statt eines blauen Himmels eine ovale Decke aus roher betonfarbener Matrix.
     
    »Käpt’n Jute!«, schrie Rory. »Was für eine Ehre!«
    Er stand hinter der Bar. Rory war dick und schwitzte, hatte babyblaue Augen, darüber ein strohblondes Haarbüschel, darunter die roten Backen eines Gewohnheitstrinkers und die bloßen Unterarme eines alten Seebären; die Schürze wickelte sich zweimal um den Bauch.
    Kam man von der Pfauenstraße, sah das Lokal viel kleiner aus, als es in Wahrheit war. In den Alkoven einer Mehr-Atmosphären-Kammer
feierten Menschen, Aliens und Artefakte ihr gemeinsames Delirium, das umso ausgelassener wurde, als Käpt’n Jute eintrat. Dann noch Dodger Gillespie, die jüngste Sensation! Alle hatten von ihrer dramatischen Ankunft gehört. Andere Raumfahrer drängten sich vor, um ihnen die Hand zu schütteln, und überboten sich, ihnen einen dieser merkwürdigen Cocktails zu spendieren, die eine Spezialität dieses Etablissements waren: Gin Rummy oder Quicklime Split.
    »Was darf es sein, Käpt’n?«
    »Bier«, sagte Tabea.
    Rory kratzte sich den Kopf. Er hatte mehr Sorten, als er aufzählen konnte. »Welches bitte?«
    »Das Erstbeste.«
    Er schob ihr ein schäumendes Glas hin und wies ihr Geld zurück. »Geht auf’s Haus!«, sagte er. »Sie wollen mich doch nicht beleidigen, Ma’am. Haben Sie schon das Fenster gesehen?« Noch eine berühmte Attraktion offenbar. Im Augenblick zeigte es einen sonnigen terrestrischen Ausblick: die funkelnde Seine, die schmalen, mit Silber gesprenkelten Pfeiler der Pont des Arts. Als die sonnigen Ausblicke erloschen, sah man Kratzer.
    Es war schon befremdend, wie rasch sich alles geändert hatte. Schon war - zum allgemeinen Bedauern - die Ära der capellanischen Herrschaft ein abgeschlossenes Kapitel der Geschichte. Käpt’n Jute wurde von einer Reihe von Menschen belagert, die mit gestrickten Jacken und ebensolchen Krawatten herumliefen und ihr unbedingt erzählen wollten, wie sehr sie sich auf lokaler Ebene um die Organisation des Zusammenlebens gekümmert hatten, und zwar völlig unabhängig von den Capellanern oder ihren Lakaien, den Eladeldi. »Wenn einer von den großen blauen Kötern herumschnüffelte, hieß es ›Ja, Inspektor. Nein, Inspektor‹, und wenn er weg war, haben wir so weitergemacht
wie bisher!« Sie kicherten aufgeregt und stießen einander an. »Alles, was recht ist, Käpt’n«, meinten sie. »Wir sind eine andere Spezies. Es war nicht ihre Aufgabe, uns zu sagen, was wir zu tun oder zu lassen hatten.«
    »Ein Gesetz für Ochs und Esel ist Tyrannei!«, erklärte ein junger Mann lauthals. »Das steht in der Heiligen Schrift!«
    Es dauerte ein bisschen, bis Tabea begriff, dass man sie dafür gewinnen wollte, so etwas wie einen Verwaltungsrat zu gründen, »selbstverständlich mit Ihnen als Vorsitzende, Käpt’n«. Und als sie nach dem Zweck dieses Verwaltrungsrats fragte, versicherte

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