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Sonnenwanderer

Titel: Sonnenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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Mildtätigkeit. »Sie wird schon dafür sorgen, dass wir heil ankommen.« Andere, die nicht so gutgläubig waren, schlugen Zeichen, um das Böse abzuwenden.
    Später lief wieder ein Schauder durch das Schiff. Brösel von Matrix prasselten herunter. Der junge Soldat, benommen vom Kampf und von der Aufmerksamkeit, die man ihm schenkte, sprang auf, als wolle er losrennen. Ein eiserner Blick des alten Kriegers rief ihn zur Ordnung.
    Die Musik strauchelte und hielt inne, das Stimmengewirr erstarb. Der junge Soldat sah, wie Mütter und Väter ihre missgebildeten Babys schnappten und an die Brust drückten. Sie standen da, den Kopf im Nacken, und warteten.
    Irgendwo weit oben, auf einer hoch gelegenen Plattform, blies
jemand ein Horn. Das Mädchen ergriff die Hand des jungen Soldaten. »Pscht«, machte sie und hielt den Finger hoch. Dann kamen die Erwiderungen, eine um die andere, nach einem bestimmten System: blecherne Stimmen, tiefe und hohe, die durch die Tunnel riefen: »Alles ist gut, alles ist gut.«
     
    Clegg stand neben dem gepanzerten Wagen und ignorierte den Katastrophenbeauftragten. Er unterrichtete Otis und Xtaska und alle, die mithörten. »Die Drohnen holen ihn jetzt raus«, sagte er leise. »Over.«
    Over , dachte Käpt’n Jute. Das galt auch für den leichtsinnigen Schwimmer. Sie war es inzwischen gewöhnt, Berichte über kleine Gespenster zu erhalten, die jemand gesehen hatte: kleine Mädchen, kleine Jungs, kleine Altairer, kleine Vögelchen und kleine Zwerge. Eine Leiche im Abwasserkatalysator war etwas anderes. Der Fund hatte Kenny erregt und sie wie üblich auf dem falschen Fuß erwischt. Sie konnte hingehen und präsent sein, damit die Leute jemanden hatten, den sie beschimpfen konnten, oder sie blieb weg und wurde trotzdem von den Leuten beschimpft. Zu allem Überfluss hatte man sie wegen eines Deckeneinsturzes umgeleitet und gezwungen, mit nervtötenden fünf Stundenkilometern hinter brüllenden vespanischen Führern durch unbefestigte Tunnel zu kriechen. Sie saß vorne neben Soi, was dem Selberfahren am nächsten kam. Und jetzt, wo sie vor Ort waren, wollte sie nicht mehr aussteigen. Kenny hatte Feuer unterm Hintern, also sollte er hingehen und sich die Sache ansehen.
    »Wir glauben, dass er Norman Shoe heißt«, sagte der Katastrophenbeauftragte und wich ihrem Blick aus. Sein Gesicht sah so sauer aus wie ein drei Tage alter Bluterguss. Er hatte ihr die ganze Zeit in den Ohren gelegen, sich um die Betriebsstörung
des Katalysators zu kümmern. Er war nicht beeindruckt, dass es eine Leiche brauchte, damit sie ihm Gehör schenkte.
    Jemand holte Letztere auf den Bordmonitor des Pango. Es war schlimmer, als sie erwartet hatte. Was den Schädel des Mannes betraf, hatte die Maschinerie ganze Arbeit geleistet.
    Käpt’n Jute ließ die Sonnengläser eindunkeln. Sie drehte sich um 90 Grad und setzte die Füße aus dem Wagen. Sie atmete durch Nasenfilter, ihr Arm ruhte beiläufig auf dem Griff ihrer Handfeuerwaffe. In der Dunkelheit jenseits der Flutlichter sah sie die vielen Schaulustigen hinter dem Zaun. Genaueres war nicht auszumachen. Es schienen aber Leute aus der Umgebung zu sein. Hauptsächlich Jungs. Die Szene erinnerte sie an eine Sendung über einen alten Krieg auf der Erde. Da hatten Menschen so dünn wie Schnürsenkel am Maschendraht gehangen oder zusammengerollt am Boden langer, dunkler Schuppen gelegen, zu schwach, um den Kopf zu heben und in die Kameras ihrer Retter zu blicken.
    Kenny beschnupperte die Leiche, der Gestank kräuselte ihm die Lippen. Clegg schikanierte die Drohnenführerin des Katastrophenbeauftragten, zerrte an ihren Leinen, die in Wahrheit hochflexible Leitungsstränge waren. »Jetzt halten Sie ihm doch die kleinen Monster aus dem Weg.«
    Das ging dem Beauftragten gegen den Strich. Was kümmerten ihn die Leibwächter des Käpt’ns, die immer und überall taten, was sie wollten? »He!«, fuhr er dazwischen. »Was soll das?«
    Diese drei Worte, entsann sich Tabea, hatte ihr Vater oft gesagt. Jedes Mal, wenn sie sie hörte, wurde eine kleine Stelle in ihrem Hinterkopf kalt. »Clegg.«
    Er trat nur widerstrebend zurück. Jemand aus der Menge hinter dem Zaun rief etwas, was sie nicht verstand. Sie sah Soi schräg an. Soi hatte große Ohren. »Was war das?«

    »Peroihen, Kepen. Tumuss peroihen.«
    Gelangweilt kratzte Tabea mit dem Fingernagel über das Fenster des Pango. »Das kommt zu meinen gesammelten Drohungen«, murmelte sie.
    Clegg grinste. Sie kam heute gut mit ihnen aus.

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