Sonnenwanderer

zurückzukehren«, sagte Tabea. Ihre Stimme schien sich in ihrer Brust verheddert, um etwas geschlungen und festgezurrt zu haben.
    Sarah zuckte mit ihren Kleiderbügelschultern. »Jogo hat mich hergebracht«, sagte sie etwas unschlüssig.
    Das Monsterschiff hatte ihr Sarah Zodiak weggenommen und in jemanden Hassenswerten verwandelt. Das brauchte nicht
wehzutun. Es brauchte überhaupt nicht wehzutun, wenn man es richtig anstellte.
    »Und was hoffst du hier zu finden?«
    Sarah sah freudlos drein. »Den Tod«, sagte sie.
    Tabea machte große Augen. Kenny saß schon halb auf dem Fußende, die Halskrause gesträubt.
    »Na ja, du siehst scheiße aus«, erklärte Sarah mit Unschuldsmiene. »Du siehst schlimmer aus als Hannah Su. Das Schiff ist verloren, und jetzt wird gestorben.« Eine Träne perlte aus ihrem rechten Auge und lief die marmorierte Wange hinunter. »Ich glaube, wir sind alle längst tot in dieser fliegenden Gruft.«
    Also war der kleine verlorene Klon wieder einmal zutiefst erschrocken, verzagt und zu Tode betrübt, und es war Tabeas Aufgabe, etwas dagegen zu tun. Sie hatte aber nicht die Absicht, etwas dagegen zu tun; warum in drei Teufels Namen musste sie es immer sein, die etwas dagegen tat? Sie hatte schon viel zu oft etwas dagegen getan und viel zu wenig zurückbekommen für ihre Bemühungen.
    »Scheiße«, sagte Tabea Jute erschöpft. »Bring sie her«, sagte sie zu Kenny und machte Platz im Bett. »Mach schon. Sie führt nichts Böses im Schild.«
    Der Schrante half Sarah Zodiak aufs Bett. Sie legte sich einen halben Meter von Tabea entfernt hin. Er hörte nicht auf, einen langen Hals zu machen und sie misstrauisch zu beschnüffeln. Tabea machte einen langen Arm und scheuchte ihn weg.
    Sie überlegte, ob sie Sarah in die Arme nehmen sollte. Sie konnte nicht. Sie fühlte sich einfach zu verletzt. Verletzt und betrogen. Sie verschränkte die Hände unter ihrem stoppeligen Kopf und blickte an die Decke oder das, was von ihr zu sehen war zwischen all dem aufgetürmten Zeug. »Also gut«, sagte sie ganz ruhig. »Erzähl mir von dem kleinen Gespenst. Klein
Alice mit dem Schürzchen. Die kleine Mademoiselle Will-Nicht.«
    Sarah hob den Kopf und blickte die Krankenschwester an. Die hob die Schultern und zog den Kopf ein. »Alice mit dem Schürzchen?«, wiederholte Sarah.
    Tabea holte Luft. »Das kleine Mädchen, das du gemacht hast.«
    »Das einzige kleine Mädchen, das ich gemacht habe, war Susanna … Sie war meine Schwester. Wann willst du sie denn gesehen haben?«
    »Du hast sie in meine Wohnung geschickt.«
    »Susanna ist ein Imago«, sagte Sarah ungeduldig. »Ein Holo geht nirgends hin, nur an und aus. Wo ist Alice? Wie kommt Alice zu einem Schürzchen?«
    »Das weißt du doch am besten, oder?«
    »Ich weiß nichts von einem Schürzchen!«
    Ihre Verwirrung war groß und echt. »Vergiss es«, sagte Tabea gereizt. »Kenny, zurück!« Sie fragte sich, was das alles sollte. Sie war noch nie schlau geworden aus Sarah. Und das kleine weiße Gespenst war nicht wieder erschienen. Wahrscheinlich hatte der Doktor recht gehabt: Es war eine Schimäre, ein Phantom ihres eigenen abgekoppelten Geistes, der durch die Korridore dieses monströsen Schiffes wanderte.
    Sarah Zodiak gähnte. Ihr Mund sah feucht und verletzlich aus. Er schmeckte eigenartig und reizvoll, reich an komplexen Peptiden. Der Schmerz in ihren Nebenhöhlen flackerte wieder auf.
    Sie führte einen anderen Ärger ins Feld. »Und was ist mit dem ganzen Zeug, das du Kanal 10 gesteckt hast?« Sie schrie beinahe, dabei lag Sarah fast neben ihr. »Das ganze Zeug, das sie in Nackte Wahrheit gebracht haben!«
    »Ich habe denen überhaupt nichts gesteckt«, sagte Sarah
beleidigt. »Er hat das alles direkt aus der Skorpion gesendet. Du kannst von Glück sagen, dass du das Schlimmste nicht gesehen hast. Das hat er alles für sich behalten. Sachen, die du nie machen würdest. Er hatte ein Holo von dir, das sich auszog und ihn anbettelte.«
    Tabea blickte nicht durch. Da wurde etwas vorausgesetzt, wovon sie keine Ahnung hatte.
    »Wer ist ›er‹?«
    »Grant.«
    »Und weiter?«
    »Nichtsweiter.«
    »Aha?«
    »Weißt du noch?«, sagte Sarah. »Er hat dir das Buch geschenkt. Auf der Party! Und er hat Obristin Stark die ganzen Roboter übergeben. Das Exekutivkomitee, hat er gesagt, würde ohne ihn zer… zerbröseln, hat er gesagt. Ach, ich weiß nicht. Er war ziemlich langweilig«, sagte sie und gähnte wieder.
    »Wo ist der Mann, der nur Grant heißt?«, fragte