Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sonnenwanderer

Titel: Sonnenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
Vom Netzwerk:
Alice.
    »Und?«
    »DIE SERAPH KAJSA KREUZTE UNSEREN 73. ORBIT UM DIE VENUS«, sagte das umsichtige Ego.
    »Wie nahe?«, wollte Käpt’n Jute wissen.
    »GRÖSSTE NÄHE 1.889 KM«, sagte Alice. »DAS HABE ICH PROTOKOLLIERT.«
    »So, hast du«, sagte Tabea Jute sauer. »Danke für die Information.« Die Seraphim waren weit weg. Sie hatte die Seraphim
hinter sich gelassen. Trotzdem behagte ihr der Gedanke nicht, dass dieses Schiff ihren Orbit gekreuzt hatte, und das wusste Alice, und das wusste Sarah, und niemand hatte ihr den Vorfall gemeldet. Über die Schulter blickend, suchte sie nach Kratzspuren auf ihrem Rücken. Am liebsten hätte sie der Retortenfrau den schwarzen Lumpen weggerissen, sich den schlanken Leib geschnappt und sie zu einem zweiten Orgasmus gezwungen. Diese Gewaltfantasie machte Tabea Angst, und sie schwieg. Ihr war, als sei in ebendiesem Moment etwas aus dem Umweltsimulator gekommen und habe sie aus heiterem Himmel angeflogen.
    Sie musterte Sarahs Kleid mit vornehmen und gedankenverlorenen Gesten. Sie musste jetzt etwas sagen und wusste nicht, was. Sie sagte: »Amüsierst du dich?«
    Die dünne Magierin betrachtete sie. »Ja«, sagte sie. »Du nicht?«
    »Doch«, sagte Tabea leicht gereizt.
    »Na gut«, sagte Sarah und bückte sich, um ihr einen Abschiedskuss zu geben. Käpt’n Jute liebkoste die weißen Hände, die noch auf ihren Schultern lagen.
    »Ich besorge mir etwas Stoff von Alice«, sagte Sarah beiläufig.
    »Was?«
    »Nur Daten, alte Aufzeichnungen.«
    Tabea fuhr sich mit der Hand übers Haar. »Ach so«, sagte sie.
    Aus irgendeinem Grund war sie genervt. Wozu brauchte Sarah Aufzeichnungen von Alice?
    Es war wohl ein Beweis von Zuneigung, Vertrauen zu zeigen und nicht nachzufragen.
    »Alice? Sarah will mit dir reden.«
    »HALLO, SARAH«, sagte Alice.
    »Ich suche nach bestimmten Aufzeichnungen, Alice«, sagte Sarah. »Ich melde mich, wenn es so weit ist.«

    Käpt’n Jute ahnte, wonach sie suchte; sie suchte nach Informationen über Mogul, ihren Bruder. Ein merkwürdiges Gefühl überkam sie, eine Mischung aus Melancholie und Enttäuschung. »Rede auf der Brücke mit ihr«, sagte sie. »Lass dir vom Diensthabenden eine Zelle geben. Zufrieden? Sarah?« Die Gauklerin drückte ihr noch einen Kuss auf die Stirn und ging.
     
    In Abwesenheit der Eladeldi waren die Vespaner richtig zum Zug gekommen. Sie betrieben die extremen Hindernisstrecken sowie das Körperteil-Bingo und beaufsichtigten mit wohlwollender Autorität die Keck-Kämpfe. Der Vespaner Tiltsnirip Tilpnotuel, bekannt als Tilt, war ein typischer Vertreter seiner Gattung. Äußerlich erinnerte Tilt zuerst an ein Walross und dann an ein Kamel aus braunem und grünem Gummi; er trug am liebsten einen lockeren, zweireihigen, aus grobem Streichgarn hergestellten Mantel mit Rückengürtel und breitem Revers, der fenstergroß kariert war, und darunter eine mit lauter großen Goldketten behängte Samtweste.
    »De Meteoriet! Ein kleine Waghals, Dames en Heren, macht Banschi in tweeëndertig Sekunde fertig.«
    Seine Flosse umklammerte ein großes Bündel Eintrittskarten und einen alten, ramponierten Guthabenmonitor.
    »Unter Handicap, is hai nächst Woch gestiege, latste Kampf, allerlatste Kampf zu diese Konditionen. Oh, yeah.«
    Er lächelte gewinnend und gewann Gottfried Bills’ Vertrauen. Wie in drei Teufels Namen sollte so eine aufgeschossene, wulstige, labbrige Kreatur unsereins übers Ohr hauen? Einer gewinnt immer; warum nicht wir? »Was meinst du?«, fragte er seinen Begleiter Dagobert Moon.
    Mister Moon besah sich Tilts Champion. »Die stacheligen Lederhandschuhe gefallen mir«, sagte er nachdenklich.

    »Sie passen zum Maulkorb«, ergänzte Mister Bills, der seine Kreditmarke schon in der Hand hatte. Der lange Hals des Vespaners sackte vornüber, die Augen schienen die Marke zu verschlingen.
    »Fünfzig, Meneer? Einhundert? Sie könne sich das nich dadurchgehe lasse.« Tilts Gesicht warf erst Falten und blähte sich dann ermunternd auf. »Sie dürfe de Meteoriet nich mit weniger denn hundert kränke, Meneeren«, bedrängte er sie mit der lauten, blechernen Stimme eines wohlmeinenden Onkels. Infiziert von der Wärme des Vespaners, glaubte Mister Bills beinahe, der Buchmacher biete ihnen das Geld an, statt umgekehrt.
    Mister Moon entdeckte den Schiedsrichter, einen älteren, teilnahmslos wirkenden Menschen. »Er sieht nicht wie ein Spaßverderber aus«, sagte Mister Bills optimistisch.
    »Wenn man nur wüsste, wie einer aussieht«,

Weitere Kostenlose Bücher