Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sonnenwanderer

Titel: Sonnenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
Vom Netzwerk:
derweil die autarke Rechte ihren Po begrapschte.
    Schwester Rix klemmte die Beine zusammen und lehnte sich
steif nach vorne, als wolle sie sich seinem Eingriff entziehen. »Die Musik!«, schrie sie wieder. »Du weckst - Kathleen auf!«
    Der Alte entblößte seine Metallzähne. Augenblicklich griff eine dröhnende Stille um sich.
    »Habe ich nach dir gerufen?«, nuschelte er mit hoher, nasaler Stimme.
    »Ja, Onkel Charlie. Du weißt das.«
    »Gut … gut …« Der Alte schwenkte den Kopf, dass sein Halsgehänge mit Klickediklack in Bewegung kam. »Der Fisch ist runtergefallen«, sagte er.
    Der Stuhl wirbelte ihn herum, so dass er wieder ins Aquarium blickte.
    »Schon wieder einer, Onkel Charlie?«, sagte die Schwester. Das war der x-te Fisch, der in diesem Aquarium verendet war; sie hatte aufgehört zu zählen.
    Onkel Charlie lachte gackernd.
    Ihr Implantat ließ Schwester Rix durchs Zimmer gehen, die Hand ins Aquarium tauchen und den toten Fisch herausnehmen. Es veranlasste sie, dem Alten ins Gesicht zu sehen.
    Ihre Lippenarbeit war die eines primitiven Androiden: »Wo - möchtest - du - dass - ich - ihn - hintue?« Die Worte kamen vereinzelt, wie Perlen auf einem Draht.
    Onkel Charlie lachte und lachte. Seine orale Klempnerarbeit schäumte und blubberte vor Schadenfreude. »Sie macht immer ein Gesicht, als wollte sie mich abmurksen«, erklärte er dem eisvogelblauen Fisch. »Es ist wie, schwer zu …« Seine Stimme kiekste. »Was? Was? Ich komme erst gar nicht vor in der Szene.« Er gackerte wieder, schaukelte in seinem Stuhl.
    »Du redest lauter wirres Zeug, Onkel Charlie«, sagte die Schwester tonlos. »Wir haben dich alle sehr gern. Wir sind alle deine Freundinnen.«

    Onkel Charlie ließ sie den toten Fisch in den Müllschlucker werfen. Er drückte sein Gesicht ans Glas, da, wo der Überlebende unermüdlich seine Runden drehte und sich jedes Mal das Maul stieß. »Sternzeichen Fische, richtig?« Er kicherte und schüttelte den knochigen Zeigefinger. »Schlechtes Karma …«
    Die Tür zischte wieder, und eine vespanische Frau duckte sich mit ihrem enormen Kopf ins Zimmer. Als sie hereintrottete, schwofte der weiße Kittel um sie herum.
    »Guten Morgen, Dr. Irsk«, sagte die Schwester.
    »Gute Morge, Schwester«, sagte die Ärztin mit ihrer Bassgeigenstimme. »Gute Morge, Onkel Charlie.«
    Onkel Charlie schnaubte. Er schien etwas Widerliches durch den schlottrigen alten Mund zu wälzen. Die Musik kam in voller Lautstärke zurück.
    Dr. Irsk fischte eine Universalfernsteuerung aus der Kitteltasche, zielte auf Onkel Charlies AV-Vitrine und brachte sie zum Schweigen. Sie prüfte seinen Blutdruck, dann bediente sie sich der Schwester, um den Enzymport zu justieren, was kein Job für große Flossen war. »Sieht well aus vandaag«, meinte sie im Brustton eines Kontrabasses. Sie blies die Backentaschen auf und verdrehte die Augen. »Du has zufällig Besuch, Onkel Charlie. Er komm gleich hoch.«
     
    Onkel Charlies Besucher war der große Kerl, der ihn schon ein-, zweimal besucht hatte. Was er anhatte, ließ ihn noch größer erscheinen: ausgebeulte Bundhosen aus Regenbogenscherben; ein blaues Hemd mit rosa Rosen und eine drapierte Jacke, die an zwei Vorhangschals erinnerte. Er trug einen schwarzen Bart, und sein Pferdeschwanz bedurfte offensichtlich ständiger Pflege. »Hallo, Onkel Charlie«, sagte er. »Wie geht es dir?«
    Onkel Charlie freute sich über den Besuch. »Dog! Richtig!«
Er lachte lautlos. »Proxima Centauri!«, sagte er, als sei das die Pointe eines allgemein bekannten Witzes.
    Der Hüne namens Dog hatte sich auf die Armlehne eines Sessels gesetzt. Der große Oberschenkel lag flach wie ein Rinderschinken da. Er sah die Schwester und die Ärztin schräg an.
    »Aufregung is Gift voor ihm«, warnte Dr. Irsk.
    »Oh, oh, sagen Sie ihr das«, sagte Onkel Charlie und schielte Schwester Rix lüstern hinterher, die eben das Zimmer verließ.
    Die Ärztin schwang sich hinterher, und die Tür fuhr ins Schloss. Der Besucher lehnte sich vor und musterte Onkel Charlie eingehend. Die Pupillen des Alten waren riesig, die Nasenflügel schwarze Tunnel, die Haut eine Karte geplatzter Kapillaren. Die Plastiklunge pumpte fröhlich vor sich hin. Die Flüssigkeiten, die in ihn hineinflossen, und diejenigen, die aus ihm herausflossen, waren klar und hell. Vielleicht lebte er ja noch einmal hundert Jahre.
    Der Mann namens Dog wurstelte seine große Hand in die Jackentasche und zog eine transparente Plastikbrieftasche heraus, in

Weitere Kostenlose Bücher