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Sonnenwanderer

Titel: Sonnenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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Alte grinste von einem Ohr zum anderen. Seine Zähne waren aus Metall. Er drückte außen an der Armlehne einen Knopf.
     
    Den Flur hinunter, die Treppe hinunter und gleich hinter dem Absatz saßen zwei Pflegerinnen an einem Tisch und zählten Pillen ab. Sie unterhielten sich über Unlautere Methoden , eine AV-Krankenhaus-Serie, die jeden Tag lief, immer »nachmittags«. Wegen der Schichtarbeit gab es ständig welche, die eine Episode versäumt hatten und unbedingt wissen wollten, was passiert war.
    »Was hat sie nun vor?«, fragte die erste Schwester. »Ich meine mit Roman.«
    »Sie hat es ihrer Mutter erzählt«, sagte die zweite Schwester. »Dass sie ihn sehr gernhat und alles, aber heiraten - nein, das hält sie für keine gute Idee.«
    »Wie gemein!«, sagte die erste Schwester. Sie fand Roman einfach großartig. Sie hätte sich liebend gern um den geplagten, aufrechten Roman und seine autistische Tochter gekümmert.
    Die zweite Schwester schob die abgezählten Pillen auf eine gefaltete Papierserviette und kippte sie in ein Plastikfläschchen. »Na ja«, sagte sie und schraubte den Deckel auf, »Monique sagt das vielleicht nur. Vielleicht, weil sie Angst hat, ihre Mutter könnte genau das sagen.«
    Ihre eigenen Mütter waren nicht an Bord. Seit achtzehn subjektiven Monaten hatten sie nichts mehr von ihnen gehört. Und sie würden nie mehr von ihnen hören, aber das wussten sie
nicht. Die erste Schwester plapperte ohne Punkt und Komma. »Und was ist mit Roman und dem Skiunfall, du weißt schon, die mit dem gebrochenen Arm?«
    »Oh, sie liegt im Koma«, sagte die zweite Schwester. »Hast du das nicht mitbekommen? Sie hatte ihre OP und ist noch immer nicht aus der Narkose erwacht. Und jetzt fühlt Roman sich schuldig. Und Dr. Nauheim steht auch mit dem Rücken zur Wand, er hat schließlich die Entscheidung getroffen nach dem Autounfall …«
    »Welcher Autounfall?«
    In diesem Moment drückte der alte Mann in Suite No. 5 auf seinen Knopf.
    In der Hausapotheke gab es keinerlei akustisches Signal, und doch setzte die zweite Schwester ruckartig ihr Pillenfläschchen ab, ihr Stuhl scharrte über den Kunststoffboden. »Himmel«, sagte sie und hätte mehr gesagt, wenn es ihr nicht die Sprache verschlagen hätte. An ihrer Kollegin vorbei, die murmelnd ihre Pillen zählte, verließ Rix - so hieß die zweite Schwester - den Raum.
     
    Schwester Rix überquerte den Absatz und nahm zwei Stufen auf einmal. Der gestärkte weiße Kittel raschelte, als sie den Flur zu ihren Patienten hinuntereilte. Sie kam an Suite No. 1 vorbei, in dem Consuela aufgehört hatte, den Fuß an die Wand zu schlagen, und wieder anfing, wegen Frankie zu jammern. Sie kam an Suite No. 2 vorbei, in dem Gloria sich vollstopfte. Da konnte kommen, was wollte, Gloria futterte. Bei ihr musste bestimmt wieder saubergemacht werden; aber darum konnte Schwester Rix sich momentan nicht kümmern.
    Schwester Rix kam an Suite No. 3 vorbei, die Tür stand offen. Drinnen war eine Kollegin dabei, Monsieur Gules’ Anschlüsse
zu wechseln. Schwester Rix wäre ihr sofort zur Hand gegangen, aber jetzt konnte sie nicht.
    Schwester Rix kam an Suite No. 4 vorbei. Hier stand die Tür ebenfalls offen. In den Türrahmen gepfercht, saß Kathleen Beaufort da und schlief tief und fest; der Irrwisch, der zusammengerollt auf ihrem Schoß lag, tat das Gleiche.
    Kathleen hatte wieder an ihrer Wolljacke gedröselt: Sie zupfte so lange, bis sie das Gestrickte an einem losen Ende auftrennen konnte. Jetzt hatte sie mit dem anderen Ärmel begonnen, bemerkte Schwester Rix. Kathleen verstand den Weltraum und auch, dass die Station unterwegs war. Kathleen hasste ihre wunderschönen Zimmer und schleppte immer wieder ihren Stuhl in den Flur hinaus; doch ihre Medikamente hatten gewirkt, und sie war da eingeschlafen, wo sie jetzt saß. Dabei hätte sie in einem Meer von Rosen schlafen können. Unter anderen Umständen hätte Schwester Rix sie zu Bett gebracht, aber Schwester Rix hatte Dringlicheres zu tun.
    Jetzt erreichte Schwester Rix die Tür mit der Nummer 5. Diese Tür war wie immer zugesperrt.
    Sie klingelte.
    Die Tür zischte beiseite.
     
    In Suite No. 5 saß der alte, alte Mann vornübergesunken in seinem Hightech-Rollstuhl und starrte in die geballten Flammen der zwölf Kerzen.
    Schwester Rix riss sich zusammen und schrie ihm ins Ohr: »Onkel Charlie - die Musik -, könntest du sie leiser stellen - bitte.«
    Der ferngesteuerte linke Arm des Alten schoss vor und schnitt ihr den Weg ab,

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