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Sonntag bis Mittwoch

Sonntag bis Mittwoch

Titel: Sonntag bis Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Hayes
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gefährdete Organ ist?
    »Alles unter Kontrolle, Mr. Wyatt?«
    Chenery. Trottet neben mir her. Schon wieder. Verdammt, ja, Chenery – alles ist unter Kontrolle. Ich bin fest in Wilbys Hand.
    »Sie haben sie natürlich nicht bemerkt, aber ich habe zwei Männer vor der Tür stationiert. Der eine wiegt seine zweihundertfünfzig Pfund – ich hab' ihn gefragt.«
    Ein fetter Mann. Zur Beschattung. Warum? Um Wilby in den Wahnsinn zu treiben. Würde es gelingen? Konnte ich mir das Risiko jetzt erlauben? Aber was sonst tun? Was blieb mir denn noch übrig?
    »Haben Sie nach der jungen Dame gesehen, Mr. Wyatt? Ist sie noch im Haus?«
    Ich nickte. »Der Mann heißt Donald Abbott. Wenn er allein herauskommt, möchte ich es erfahren.« Warum? Was versprach ich mir davon –
    »Oh, Sie kriegen einen Bericht über alle drei irgendwann heute nachmittag. Ich habe Ihre Privatnummer und Ihren Firmenanschluß notiert. Im Büro rufe ich natürlich unter meinem Namen an, aber zu Hause melde mich als, sagen wir, Mr. Smith. Können Sie mir folgen?« Ich schreite schneller aus, unterdrücke ein trockenes Lachen. »Lieber Jones.«
    »Jones? Na, wenn Sie wünschen –«
    »Geld regiert die Welt, Sie Held.«
    »Ganz, wie Sie wollen – Mr. Wyatt, müssen Sie so rennen?«
    Rennen? Eins, zwei, drei, vier! Was hast du während des Krieges getan, Vater? War freigestellt als Student, für einen Lehrgang bei der Mafia –
    »Mr. Wyatt« … keuchend … »haben Sie sich anders besonnen?«
    »Wenn es notwendig werden sollte«, erklärte ich ihm in erstaunlich normalem Tonfall, »jemand umzubringen, dann habe ich einen Revolver in der Tasche.«
    Er runzelt die Stirn. »Ich will mich nicht mit Ihnen streiten. Hier ist meine Karte. Wenn Sie mich brauchen oder neue Einfälle haben, zögern Sie nicht. Beide Nummern … komme nicht mehr mit …« prustend und röchelnd – »Wenn Sie es so eilig haben, nehmen Sie doch ein Taxi … melde mich später.«
    Guten Tag, Chenery. Angenehm, Sie los zu sein. Der Mensch ist das grausamste Tier. Wer hatte das gesagt? Ich war zu betrunken zum Zuhören. Wilby natürlich. Wilby muß es ja wissen. Wird es beweisen. Der Mensch ist das grausamste Tier, aber wer ist grausam genug, es ihm zu sagen? Gnade! Mitleid! Menschengewühl in der mittäglichen Straße. Meer von Gesichtern. Verschlossen, unwissend, zuversichtlich! Die Wahrheit muß ein Geheimnis bleiben. Sollten sie ruhig glauben, sie hätten die Ordnung ihres Lebens in der Hand, könnten die Zukunft bestimmen nach freiem Willen. Freier Wille.
    Trompetenstoß einer Hupe. Kreischende Bremsen. Ich starre verblüfft – worauf? Metall glitzert blendend in der Sonne, Kühlergitter und Stoßstange Millimeter vor meinem Bein. Ich blicke auf, über die noch vibrierende Kühlerhaube. Hinter der Windschutzscheibe ein erschrecktes, ärgerliches Gesicht unter einer Chauffeursmütze. Ich stolpere auf den Bürgersteig zu, höre zorniges Knurren, Frauengelächter, Hupen um mich her. Ich trete mit nachgebenden Knien auf den Bordstein, taste. Meine Hand berührt Holz, einen Zeitungsstand, ich lehne mich an. Kleider durchgeschwitzt, kalter Schweiß im Nacken, in den Achselhöhlen, trotzdem erstickende Hitze wie eine drückende, feuchte Wolke. Bohrende Kopfschmerzen, wild klopfendes Herz. Übelkeit.
    Betäubt und keuchend lehne ich an der Wand, aber man bedenke! – ohne Zittern. Warte allerdings darauf, wieder in die gnädige Lethargie des Morgens zu versinken. Brauche sie. Sehne mich danach. Statt dessen: dröhnendes Durcheinander.
    Was geschah? Wo war ich? Und wie lange war ich geistig abwesend?
    Wieder in der Welt von gestern nacht. Doch diesmal viel schlimmer! In panischem Schrecken schaue ich mich um. Köpfe, Gesichter, schlurfende Füße, Körper – nicht ein neugieriger Blick auf mich gerichtet. Drogerie, Tabakladen, Papiergeschäft, Buchhandlung, Krawatten, Blumen –
    Keine Bar in Sicht. Und ich kann mich nicht bewegen, habe nicht die Kraft dazu. Muß eine Bar da sein, es gibt doch eine in jeder Straße von New York. Nur ein Drink. Um mich zu stärken. Einen klaren Kopf zu bekommen. Und weil ich Angst habe. Zugegeben. Hatte nie so viel Furcht, nicht einmal während des Krieges.
    Weil es sich wiederholen kann, jeden Augenblick, wer weiß, wie kann ich jemals wieder sicher sein, daß mein Verstand nicht nochmals aussetzt, mir der Film reißt, ich wieder in diese Unwirklichkeit abgleite, oder Wirklichkeit; vielleicht birgt diese Irrealität mehr Wahrheit als die

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