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Sonntag bis Mittwoch

Sonntag bis Mittwoch

Titel: Sonntag bis Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Hayes
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selbstsicher sein? Wie? Oder war es nur die Stille im Zentrum eines Wirbelsturms? Oder beruhte alles wieder nur auf einer Selbsttäuschung – wie die distanzierte Beobachterrolle von gestern abend, die Verzweiflung und Indifferenz von heute morgen und die Minuten des Wahnsinns, während derer ich blindlings die Straßen entlang gehastet war? Dieser neuerliche Zweifel erfüllte mich aber nicht mehr mit Schrecken, die Frage hing mir lediglich nach, als ich das Restaurant betrat.
    In der Toilette wusch ich mir das Blut von der Hand: Das kalte Wasser brannte in den Wunden. Dann ließ ich mir Wasser über das Gesicht laufen, das ebenso verschwitzt war wie mein ganzer Körper, nun feucht und warm, nicht mehr kalt. Ich hatte dabei den Eindruck, daß mein Gesicht zusammengeschrumpft sei – oder bildete ich mir die hohlen Wangen nur ein? Wie, wenn Henrys Prophezeiung eintraf und Lydia mich bei ihrer Rückkehr nur als leere Schale meiner selbst vorfand?
    Henry saß wie üblich an unserem Ecktisch – geschäftliche Verhandlungen, streng vertraulich, die Kellner hören nichts Böses, sprechen nichts Böses, erwarten größere Trinkgelder – zusammen mit einem jüngeren Herrn, den Henry, sich erhebend, als Dr. Crittenden vorstellte.
    Nachdem wir uns die Hände geschüttelt – sein Griff fest, aber behutsam und sein Lächeln offen und strahlend – und Platz genommen hatten, entdeckte ich einen Highball neben meinem Gedeck. Und schaute beim Aufblicken direkt in Henrys Augen, während er zu sprechen begann.
    »Dr. Crittenden und ich haben uns über diese LDS-Droge unterhalten, von der man so viel hört. Er hat darüber schon eine ziemlich feste Meinung –«
    Dr. Crittendens Stimme war kräftig und gleichzeitig beschwichtigend. »Erstens ist es nicht eigentlich eine Droge, wie ich eben erklären wollte, sondern ein Derivat der Mutterkornalkaloide, eines der Psychopharmaka. Angeblich soll es das Bewußtsein erweitern, wenigstens temporär –«
    Koks … Tee … Goof-Balls … Religion … Alkohol … Wo is da groß n' Unterschied, Mann? Mir fiel ein, wie ich an Pat's Pub vorbeigegangen war, das Bedürfnis nach Alkohol in jeder Fiber meines Körpers.
    »… wurde nicht ohne Erfolg in der Psychotherapie angewandt, besonders bei Alkoholikern, der Konsum scheint aber nun Formen anzunehmen –«
    Hab' dich beobachtet, Mann. Dich hat's gepackt. Ich nahm das Glas in die Hand und dachte, wie ich mich vorhin auf der Straße wieder selbst belogen hatte: Nur einen, damit ich klarer denken kann, um zu beweisen, daß mich die Sucht noch nicht gepackt hat, die Entschuldigung eines jeden Alkoholikers, jedes angehenden Säufers – einen, und dann noch einen und so weiter.
    »… meistens junge Leute, die die Gefahren nicht begreifen. Als Nervenkitzel, um der psychedelischen Erfahrung willen.«
    Ich trank einen Schluck. Es schmeckte hervorragend. Kalt und erfrischend. Ich schaute auf, kurz ehe Henry den Blick abwandte.
    »… am schlimmsten, daß es so leicht zu beschaffen ist. Ja, wahrscheinlich bin ich ein entschiedener Gegner dieses Trends. Aber meiner Ansicht nach werden die Nervenheilanstalten überquellen, wenn nicht bald drastische Maßnahmen ergriffen werden. Als ich Assistenzarzt in Boston war, brachten sie mir ein Mädchen im Krankenwagen an, das nicht mehr zwischen sich und der Umgebung unterscheiden konnte –« Und mir fiel das ekstatisch versunkene Mädchen wieder ein.
    »… jeder sechste Patient, der in eine der größten Nervenkliniken von Los Angeles eingeliefert wird, leidet unter einer von LSD verursachten Psychose, viele sind unheilbar –«
    »Doktor –«
    »Ja, Mr. Wyatt?«
    »Ist unter unheilbarer Psychose Wahnsinn zu verstehen?«
    Ja, so siehste aus, Mann … als würdste abkratzen. Drehste durch, Paps?
    »Wahnsinn ist, wie Sie zweifellos wissen, Mr. Wyatt, eine laienhafte Bezeichnung. Und natürlich auch ein juristischer Begriff. Aber in dem von Ihnen gemeinten Sinne – ja, LSD kann einen Menschen unheilbar … wahnsinnig machen, was auch oft der Fall ist, wobei es etwas davon abhängt –«
    »Wovon?«
    »Nun, ein durchschnittlich ausgeglichener Mensch mag vor psychischen Schäden ziemlich sicher sein – obgleich auch er unter dem Einfluß dieses Mittels zu zerstörerischen oder selbstzerstörerischen Handlungen neigen kann –«
    Unter Henrys aufmerksamem Blick erkundige ich mich: »Und wie reagieren weniger durchschnittliche, unausgeglichene Menschen?«
    »Ich will es so formulieren:

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