Sonntag bis Mittwoch
hundertzwanzigtausend Dollar darstellte. Einmal unterzeichnet, würde es jeder Gerichtshof im Land anerkennen.
Ich riß das Blatt aus der Maschine, faltete es zusammen und steckte es in die Brusttasche. Noch sechs Minuten totzuschlagen. Aber Minuten kann man nicht totschlagen, sie sind zu wertvoll.
Der Summer ertönte. Ich ging um den Schreibtisch herum.
»Ja, Phoebe?«
»Es tut mir leid, wenn ich Sie störe, Mr. Wyatt, aber –«
»Ist der Umschlag von Mr. Harkness eingetroffen?«
»Noch nicht. Aber hier ist eine Dame, die Sie sprechen möchte, eine Mrs. Corbin. Ich habe ihr erklärt, daß Sie heute unmöglich Zeit haben, aber sie ist fürchterlich aufgeregt und besteht darauf, entweder Sie oder Mr. Brant zu sehen. Wenn Sie ein paar Minuten erübrigen könnten, Mr. Wyatt, würde es ihr wahrscheinlich sehr helfen.«
Es war das erste Mal, daß Phoebe so etwas vorschlug. Mitgefühl. Wieder. Und schlagartig fiel mir mit schlechtem Gewissen Mr. Corbins Besuch in meiner Wohnung am Montag ein.
Ich weiß nicht. Ich weiß wirklich nicht. Was soll aus ihnen werden, wenn wir das Haus verlieren, und den Wagen – Und ich hatte gestern in der Voruntersuchung losgebrüllt. Und welchen Prozentsatz der Schadenersatzsumme streichen Sie ein, Doktor, im Namen der Gerechtigkeit und Ihres verdammten hypokritischen Eids?
»Phoebe, rufen Sie Mr. Harkness an. Fragen Sie ihn, ob Sie den Scheck abholen sollen oder ob er einen Boten schickt. Und … bitten Sie Mrs. Corbin herein.«
»Ja, Adam.« Wieder Adam. »Und vielen Dank.«
Phoebe sorgte sich. Um Mrs. Corbin? Eine Fremde. »Phoebe … wenn Sie den Scheck von Harkness haben, bringen Sie ihn bitte gleich herein.«
»Ja, Adam.«
Ich blieb stehen, bis Mrs. Corbin eintrat: eine korpulente Frau, einfach gekleidet, erst Anfang Dreißig und doch bereits gesetzt und wenig anziehend. Wir schüttelten uns nicht die Hand. Bei vorangegangenen Telephongesprächen hatte sie nervös und mit einer abwehrenden Unlogik reagiert, die mich etwas aus dem Konzept gebracht und irritiert hatte. Als sie sich nun auf einem Sessel niederließ, die Handtasche mit beiden Händen auf dem Schoß umklammert, blickte sie mich reserviert und verärgert an – und, wie Phoebe erklärt hatte, sehr entschlossen. Doch hinter diesem Schutzwall verbarg sich Besorgnis, wie Phoebe gespürt hatte: eine Art Ausgeliefertsein, eine Fahrigkeit, nicht weit von Hysterie entfernt. Impulsiv wünschte ich, sie trösten zu können, wie ich auch versucht hatte, ihren Mann zuversichtlicher zu stimmen.
Statt dessen sagte ich: »Mrs. Corbin, ich muß mich bei Ihnen entschuldigen.«
»Ja, das finde ich auch«, entgegnete sie angriffslustig. Dann schaute sie mir in die Augen – und ihr Blick wandelte sich fast unmerklich. Sie runzelte die Stirn. »Ich weiß, daß Sie sehr viel zu tun haben. Ihre Sekretärin erwähnte eine wichtige Besprechung um halb drei, aber –«
»Lassen Sie sich Zeit, Mrs. Corbin«, beruhigte ich sie, wohl wissend, daß die Banken um drei schlossen. »Versuchen Sie, sich etwas zu entspannen.«
»Entspannen? Das gelingt mir nicht mehr seit … ich weiß nicht wie lange. Seit dem Unfall, glaube ich. Nein – vorher schon.«
Sie ist eine wunderbare Frau, sie hat schwer gearbeitet, sie sorgt für die Kinder –
Mrs. Corbin schlug die Beine übereinander, setzte sich verlegen zurecht, rang um Fassung und richtete sich dann steif auf. »Also, ich weiß, daß mein Mann vorgestern abend nicht zu Ihnen in die Wohnung hätte gehen sollen. Und ich weiß, daß mich Ihr Privatleben nichts angeht und nichts mit Ihrem Geschäft zu tun hat –«
Ich entsann mich, wie Mr. Corbin ungläubig Wilby angestarrt hatte, die dunkle Brille, den Bart, die Kleidung und die Stiefel. Ich bin so was wie Mr. Wyatts Rechtsberater.
»Da bin ich anderer Ansicht, Mrs. Corbin«, widersprach ich und sah, wie sich ihre Augenbrauen erstaunt wölbten. »Ich bezweifle, daß man sein Privatleben und seine Geschäfte strikt auseinanderhalten kann.« War das schon immer meine Meinung gewesen? Hatte ich mir jemals Gedanken darüber gemacht? Oder war auch dies eine neue Erkenntnis?
»Hm, es wundert mich, das aus Ihrem Mund zu hören. Wenn man bedenkt, was Leonard mir erzählte. Von Ihren Freunden. Und wie viel Sie trinken.« Ihre Lippen wurden schmal. »Haben Sie auch etwas getrunken, gestern vor der Voruntersuchung?«
Wer hatte ihr das gesagt? »Ich weiß nicht«, erwiderte ich. »Ich kann mich beim besten Willen nicht mehr erinnern.
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