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Sonntag bis Mittwoch

Sonntag bis Mittwoch

Titel: Sonntag bis Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Hayes
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aus dem Flugzeug steige« – und eine unverhüllt sinnliche Note schwang in ihrer Stimme –, »werde ich wie damals sagen: ›Gerade rechtzeitig! Und was willst du dagegen tun? Was ist ein Blitzkrieg gegen das, was du nun tun wirst?«‹
    Ein Klicken.
    Ich hielt den Hörer am Ohr.
    Sie entsann sich! Ich bebte am ganzen Leib, und mein Blut raste. Sie entsann sich der Worte – die ich bis zu diesem Moment vergessen hatte!
    Die Tränen waren eingetrocknet, aber ich hielt die Augen geschlossen: stellte sie mir vor, von Kopf bis Fuß, wie niemand sonst sie kannte außer mir allein: weicher und schöner, als sie mir im Traum erschienen war, begehrenswerter und liebenswerter. Und ich sehnte mich über den Ozean hinweg nach ihrer Gegenwart, danach, sie in den Armen zu halten und ganz zu besitzen, sie zu lieben, wie ich sie noch nie geliebt hatte. Und dann neben ihr zu liegen, dicht an sie gedrückt und in der Gewißheit, daß unsere Leidenschaft bald von neuem erwachen und ekstatisch über uns zusammenschlagen wird. Und diesmal wird eine tiefere Zärtlichkeit bis in unser Mark dringen, uns eins werden lassen, ineinander verloren, und alle Fremdheit wird in einem harmonischen Schlußakkord vergehen.
    Ich öffnete die Augen und sah mich wieder in mein Biiro versetzt: die Bücherregale und Fenster und den papierübersäten, vernachlässigten Schreibtisch. Gleich einem Wanderer, der nach langer Fahrt mit neuer und größerer Klarheit sich wieder der vertrauten Umgebung gegenübersieht. Die Sonne blendete. Alle Kanten wirkten schärfer, die Oberflächen glatter, die Reflexe schärfer. Der Augenblick schien schwerelos im Unendlichen zu vibrieren. Zum Teufel mit Wilby und seinen Sticheleien, und mit Jenny und ihrer Provokation. Lydia kommt, und wir werden einander lieben, solange wir leben, und ich werde dafür sorgen, daß ich es erlebe!
    Erst jetzt merkte ich, daß ich noch immer den Hörer in der Hand hielt. Langsam legte ich ihn auf.
    … Bilanz fordern und sich dann mit dem bescheiden, was man hat. Nein, Lydia, damit wirst du dich nicht bescheiden müssen. So herrlich dies auch war, von nun an werden Schönheit und Befriedigung in größerer Herrlichkeit gipfeln.
    Ich nahm den Revolver aus der Tasche und legte ihn auf den Schreibtisch. Du weißt nicht, wer du bist, Paps. Niemand weiß es. Nein, Wilby, niemand weiß es, weil er so wird, wie er sich entwickelt. Er ist, wozu er sich entschließt. Ich nahm die sechs Patronen aus der anderen Jackentasche. Das habe ich gelernt, Wilby, verdanke es zum Teil dir. Ich klappte die Trommel auf. Ich will Lydia besser kennenlernen – mehr um ihretwillen als um meinetwillen. Ich lud den Revolver. Ich will auf Entdeckungsfahrt ausziehen, in wirre Tiefen und unsägliche Schönheiten, von deren Existenz ich jetzt weiß. Ich muß überleben – mehr um ihretwillen denn um meinetwillen. Ich will aus den Trümmern wenigstens Lydias Stückchen Unendlichkeit retten. Das, wozu ich mich entwickle, zum Teil durch deine Schuld, Wilby, verkürzt möglicherweise dein Stückchen Ewigkeit. Ich will weder dich noch sonst einen Menschen töten, weil ich vor dem Leben Hochachtung empfinde, auch wenn du darüber spottest. Von nun an neue Hochachtung: Vor dem Wissen um den eigentlichen Wert des Lebens von der bloßen Existenz her, nicht weil es dazu geschaffen ist, einen höheren Zweck außerhalb des persönlichen Bewußtseins zu erfüllen. Ist es nicht eine Ironie, Wilby, daß ich nun, wo ich zum Leben bereit bin, viel eher bereit und willens bin, zu töten?
    Und du bist in der Falle, lebenslang. Ganz oder gar nicht. Ganz, Lydia, jetzt geht es ums Ganze.
    Doch … der Höhepunkt der Ironie: Die verdammte, dunkle Straße, die mich zu diesem Punkt der Erkenntnis führte, von dem aus die Zukunft strahlend, verheißungsvoll und erfüllt herüberwinkte, begann mit jenem körperlichen animalischen Akt, der – sofern Lydia jemals davon erfuhr oder es ahnte – allen Glanz, alle Verheißung, jede Zukunft zunichte machte. Für uns beide. Wenn aber dieser Weg, wie hell er auch sein mochte, mit Lügen gepflastert war –
    Ich blickte auf die Uhr: acht Minuten vor halb drei. Ich setzte mich an die Schreibmaschine, die ich selten benutzte, spannte einen weißen Bogen ein und tippte: »Kaufvertrag« und dann den Text. Als ich fertig war, blieben zwei Zeilen leer – für den Namen des Gemäldes und den Namen des Malers – in einem völlig legalen und juristisch einwandfreien Dokument, das einen Wert von

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