Sonntag bis Mittwoch
für einen kurzen Augenblick. Doch so grausam mochte ich nicht sein; ich brachte es nicht über mich.
Sie drehte sich herum, und ich sah ein Glitzern in ihren Augen, verstört und rebellisch. »Ich bedaure nur, daß Sie hinter mein Geheimnis gekommen sind. Nur das tut mir leid, nur das! Ohne diese Sache … diese merkwürdige … hätten Sie es nie gemerkt, und alles hätte weitergehen können wie bisher, bis wir alt und grau –« Ihre Stimme versagte, und als sie tief Atem holte, klang es wie bebendes Aufschluchzen. Dann lächelte sie verhalten und spöttisch. »Bis wir beide alt geworden wären oder bis ein Ritter in schimmernder Rüstung die Fifth Avenue heraufgeprescht wäre und mich auf sein Schloß in Bronxville entführt hätte.« Ich hätte es nie erfahren, denn sie hätte sich nichts anmerken lassen – und ich dachte an Henry, der Lydia seit Jahren mit der gleichen Hoffnungslosigkeit, Würde und Zurückhaltung liebte. Phoebe hatte sich, wie Henry, niemals durch Flirten oder einen unbedachten Blick verraten.
»Es hat aber auch seine gute Seite, Adam. Der strahlende Ritter erscheint vielleicht wirklich und hat eine Chance, wenn ich nicht in Ihrer Nähe bin –«
Wieder brach sie ab. In diesem Moment wußte ich, daß es für sie einen Abschied bedeutete. Gleichgültig, was von nun an mit mir geschah, sie wollte kündigen, unter dem Vorwand einer besseren Stellung oder der Rückkehr in ihren Heimatort – von dem ich bis heute nicht wußte, wo er lag.
»Es tut mir leid, Phoebe.« Mehr konnte ich nicht sagen, aber ich meinte es aufrichtig, voll Trauer über den Verlust.
Und ich durchquerte das Vorzimmer und wußte, daß sie an mich dachte, nicht an ihre stille Verzweiflung und Einsamkeit, obgleich sie keine Ahnung hatte, was mir bevorstand.
Das Telephon klingelte.
Im Türrahmen zögerte ich. Was nun? Wilby?
Phoebe ging zu ihrem Schreibtisch, drückte auf einen Knopf und meldete sich: »Mr. Wyatts Büro.«
Ich wartete, Wilby? Oder ein Telegramm von Lydia? Anne?
»Er ist gerade im Weggehen. Augenblick, vielleicht kann ich ihn noch erwischen –« Phoebe hob den Kopf und bedeckte die Muschel mit der Hand; ihre Haltung war wieder die einer tüchtigen Sekretärin, völlig unpersönlich. »Ein Mr. Chenery. Wenn Sie ihn nicht sprechen wollen –«
Aber ich ging bereits in mein Büro zurück. Noch neun Minuten, ehe die Bank zumachte. Ich nahm den Hörer auf, ohne mich hinzusetzen. »Hallo.«
»Mr. Wyatt?«
»Ja, hier ist Wyatt. Und ich hab's eilig.«
Eine kleine Pause, dann in beleidigtem Ton: »Mr. Wyatt, Sie wissen doch, daß ich Ihnen berichten wollte –«
»Wenn es etwas Wichtiges gibt –«
»Das können nur Sie beurteilen, weil ich die Begleitumstände nicht kenne. Das Subjekt, das männliche Subjekt, verließ das Haus um zwölf Uhr vierunddreißig. Allein. Er trug übrigens keinen Bart, Mr. Wyatt, aber mein Mann identifizierte ihn an Hand seiner Kleidung. Sie erwähnten doch einen Bart, oder?«
»Ja.« Ja, ich hatte ihn als bärtig beschrieben, aber er hatte sich rasiert, und ich hatte vergessen, dies richtigzustellen, als ich Chenery auf der Straße traf. Schon wieder ein Versäumnis! »Ihr Mann hat richtig gehandelt. Weiter.«
»Zuerst ging er zu einer Kunstgalerie in der Madison Avenue. Wollen Sie den Namen wissen?«
»Den habe ich. Weiter.«
»Dann unternahm er einen Streifzug quer durch die halbe Stadt. Meist Go-go-Lokale und Bars, als suche er jemanden. Mein Mann ließ sich absichtlich blicken, wie gewünscht. Das erwies sich als fatal, denn er verlor die Spur. Das Subjekt verschwand in einer Kneipe in der Toilette und kam nicht mehr heraus.«
»Ist das alles?«
»Das weibliche Subjekt, wenn es Sie interessiert.«
»Schnell.« Noch acht Minuten Zeit.
»Sie verließ das Haus um zwölf Uhr vierzig in Begleitung eines Mannes, auf den Ihre Beschreibung zutrifft …«
Zwölf Uhr vierzig – sechs Minuten nach Wilby. Wie, wenn das Trio sich im Foyer oder auf der Straße in die Arme gelaufen wäre? Hätte das den Fortgang der Ereignisse drastisch verändert?
»begaben sich per Taxi zum Paßbüro 630 Fifth Avenue. Dort blieben sie ungefähr zwanzig Minuten, dann tranken sie etwas in einer Bar, übrigens in einem der Lokale, die das männliche Subjekt besucht hatte. Sie aßen nichts – tanzten, lachten und amüsierten sich. Anschließend kehrten sie in die Wohnung zurück, um zwölf nach zwei, um genau zu sein, und da stecken sie jetzt noch.«
»Ist das alles?« Mindestens
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