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Sonntag bis Mittwoch

Sonntag bis Mittwoch

Titel: Sonntag bis Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Hayes
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zwei Minuten verschwendet.
    »Meine Leute machten sich sofort auf die Socken. Das männliche Subjekt nannte sich in der Kunstgalerie Wilbur Smith und gab an, Sie bei einer Transaktion zu vertreten. Das weibliche Subjekt heißt angeblich Jenny Smith und bekam den Bescheid, sie könne ohne Geburtsschein keinen Paß beantragen. Der korpulente Gentleman ist Donald Abbott, wie Sie sagten.«
    »Ist das alles?«
    »Mr. Wyatt«, beklagte sich Chenery, »meine Leute haben ausgezeichnete Arbeit geleistet, wenn man bedenkt –«
    Ich legte den Hörer auf. Noch sechs Minuten.
    Als ich Phoebes Zimmer durchquerte, fand ich es leer. Adam-Baby, wo sind deine Manieren geblieben? Mein Name ist Smith. Wilbur Smith, Mr. Corbin. Dann hatte also Wilby Mr. Corbin am Montag nicht angelogen? Aber er hatte es darauf angelegt, daß ich es für eine Lüge hielt. Besonders, wenn er tatsächlich Smith hieß. Nicht einmal Jenny war so dumm, bei der Paßbehörde einen falschen Namen zu nennen. Und ich hatte das ganze Land nach einem Wilbur Birchard absuchen lassen. Doch jetzt war es zu spät, es kam nicht mehr darauf an. Jennys Humor. Zum Wimmern komisch.
    Während ich auf den Aufzug wartete, merkte ich, daß jemand neben mir stand. Der Beatnik mit dem Backenbart. Er beobachtete mich, und als sich unsere Blicke trafen, funkelte er mich feindselig an. Er betrat hinter mir die Aufzugkabine, und auf der Abwärtsfahrt betrachtete ich das Paket, das er trug: Auf dem Packpapier war der Name eines Photolabors eingedruckt, das seine Geschäftsräume auf dem gleichen Stockwerk wie unsere Firma hatte. Was is 'n mit Ihnen los? Ham Sie nich alle? Er stand in der hintersten Ecke und wich meinem Blick aus. Ein Botenjunge. Ja, ich hatte nicht alle Tassen im Schrank – aber damit war es nun vorbei. Ein Minuspunkt für dich, Wilby.
    Drei Minuten. Ich ging rasch. Die Straße flimmerte vor Hitze, aber ich stellte das lediglich als unwesentliche Tatsache fest.
    Ich betrat das Bankgebäude. Die riesige Uhr an der Wand zeigte auf eine Minute nach drei. In den hohen steinernen Gewölbe war es kühl und still. Wie in einer Kathedrale, oder einer Gruft. An dem ältlichen, uniformierten Wachposten, der höflich nickte, vorbei ging ich direkt zu Mr. Harpers Schreibtisch hinter der hölzernen, kirchenbankähnlichen Balustrade. Mr. Harper blickte auf, ein berufsmäßig freundlicher Ausdruck lag auf seinem blassen, nichtssagenden Gesicht. »Oh, Mr. Wyatt, ich habe Sie nicht gleich erkannt.« Er wies auf einen Stuhl neben dem blankpolierten, aufgeräumten Schreibtisch. »Ich hatte schon lange nicht mehr das Vergnügen, Mr. Wyatt.« Und während ich mich mechanisch dafür entschuldigte, daß ich erst nach den Schalterstunden kam, huschte vor meinem inneren Auge ein Film vorüber, den ich kürzlich im Fernsehen gesehen hatte: Die Geschichte eines jungen Mannes, der trotz seines wüsten Lebenswandels jung und hübsch blieb, während sein Porträt den Verfall widerspiegelte, ein fürchterliches Bildnis der Ausschweifung, Würdelosigkeit und Zerstörung. Das Bildnis des Dorian Gray.
    Nachdem ich meinen Wunsch vorgetragen hatte, prüfte er den Scheck und die Karte der Kunstgalerie, die ich ihm über den Schreibtisch zugeschoben hatte. Dann sagte er nachdenklich: »Das klingt nicht sehr kompliziert. Sie möchten diesen Scheck auf Ihr Konto einzahlen und einen Scheck über hundertneunzehntausend auf den Kunsthändler ausstellen.« Er lehnte sich zurück, ein schlanker, liebenswürdiger Mann mit beginnender Glatze, dem wahrscheinlich nie im Leben Gewalttätigkeit noch Angst, noch Verzweiflung, noch ein Anflug von Wahnsinn begegnet waren; der sicherlich die höchste Freude ebensowenig kannte wie die Ironie und die komplexen Zusammenhänge der Wirklichkeit.
    »Ist es unbedingt erforderlich, diese … Transaktion heute abzuwickeln, Mr. Wyatt?«
    »Ja«, entgegnete ich. »Wissen Sie, das Bild soll ein Geschenk für meine Frau sein, und ich erfuhr soeben, daß sie morgen, möglicherweise schon heute von Europa eintrifft. Es soll eine Überraschung werden.« Wie war ich auf diese Lüge verfallen?
    »Ach so. Na, ein sehr großzügiges Geschenk, nicht wahr? Hm.« Er klopfte mit kurzen, manikürten Fingern auf die Schreibtischplatte. »Ja. Gut.« Dann rang er sich ein Lächeln ab. »Darf ich fragen, wer es gemalt hat?«
    Wilby hatte es mir nicht gesagt. Hatte ich gefragt?
    »Van Gogh«, antwortete ich, der erste Name, der mir einfiel. Ich schaute auf die Uhr. Die Zeit drängte nicht mehr; ich

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