Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sonntag bis Mittwoch

Sonntag bis Mittwoch

Titel: Sonntag bis Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Hayes
Vom Netzwerk:
verrückt, wenn ich Ihnen glaubte«, sagte ich.
    »Was bleibt dir denn übrig? Scher dich weg. Ich lese.«
    Jetzt, da ich ihn brauchte, blieb mein Zorn aus. Wilby lag nun bäuchlings auf der Couch, den Kopf in die Hände gestützt, ein Buch vor sich. »Wo wollen Sie hingehen, hinterher? Morgen?«
    »Vielleicht ins Waldorf, Alter. Zaster ham wir ja. Nu hau ab.«
    »Hier kommen Sie nicht mehr 'rein.«
    »Hab' ich dir versprochen.« Er rollte sich auf den Rücken, nahm seine Brille ab und rieb sie an seinem Hemd sauber. Sein Gesicht sah trotz des Bartes bleich aus, und seine hellen, blauen Augen schauten glanzlos und stumpf drein.
    »Hab' mal über die mittelalterlichen Foltern gelesen, Mann. Kennste? Die kastrierten Mönche und Päpste – was die mit den heiratsfähigen Jungfrauen angestellt haben; Ketzer ham sie sie genannt. Und alles zum Ruhm meines Bruders da oben. 'türlich hatten einige 'ne Vorliebe für männliche Ketzer. Ketzer wegen dem Kitzel.« Er setzte die Brille wieder auf. »Wie Vietnam. Haste die Grünen Teufel gelesen, Alter? Was die braven, zivilisierten Südviets tun, wenn ihnen unsere tüchtigen, loyalen Soldaten Gefangene übergeben? Alles zum Ruhm des Status quo-quo und des Herrn McNamara.«
    Ich war stehengeblieben, ohne richtig zuzuhören: seine Gedankensprünge interessierten mich jetzt nicht. Sein Interesse an Schmerz und Folter spiegelte lediglich das sadistische Vergnügen an dem wider, was er tat – als könne er sich für alles, was ihm an angeblichem Unrecht widerfahren war, durch Quälereien an mir rächen. Und ich erkannte auch, daß zumindest ein Teil seiner Befriedigung dem Wissen entsprang, daß ich seine Motive durchschaute. Ich war also entschlossen, ihm so wenig Befriedigung wie möglich zu verschaffen.
    »Sie werden einmal zu oft lügen«, warnte ich ihn, »und dann …«
    »Mann-Mann«, unterbrach er mich, »wenn ich einmal zu oft lüge, machen sie mich zum Präsidenten. Glaubste nich auch, daß ich aus dem rechten Holz geschnitzt bin, Paps?« Er legte seinen Kopf in den Nacken und starrte an die Decke. »Alter, du und ich, wir beide hassen die Lüge – klar? Nur – ich hab' die Zeitungen gelesen: Ich hab' von Fachleuten gelernt. Von Ike … die Chose mit der U-2. Und wie Adlai vor der UNO der Welt weismachte, daß er nie nichts von 'ner Schweinebucht wüßte. Und Kennedy – der spricht drei Ave Marias, Buße-Buße – und lügt im Fernsehen wie gedruckt. Und Johnson – Teufel, Mann, der Kerl wird mal in den Geschichtsbüchern verewigt. Wenn der weiter so 'ne Sprüche drischt, ernennen sie ihn noch zum Sankt Lyndon.« Er wälzte sich auf die Seite. »Wo warste denn, als die ganze Lügerei losging? Haste deinem bestochenen Abgeordneten ein Telegramm geschickt, oder deinem krummen Senator? Haste etwa versucht, dir gegen die Monopoljäger, die Waffenfabrikanten, die Flugzeugaktionäre Gehör zu verschaffen? Solche Ohren kosten Pinke, Mensch!«
    Ich holte tief Luft. »Sie verschwinden morgen, weil –«
    »Weil«, unterbrach er mich, »weil du noch 'ne Nacht mit Jenny pennen willst, Mann. Kapito.«
    Stimmte das etwa? War das möglich?
    »Sie verschwinden morgen«, fuhr ich fort, »weil sonst alles vorbei ist. Ich bin dann zwar geliefert, aber Sie auch. Mir geht es an den Kragen, wenn Sie verhaftet werden und Ihre Lügen verbreiten, aber Sie und Ihr Jenny-Baby kommen ins Gefängnis. Alles hat seine Grenzen.«
    »Gefängnis«, sagte Wilby, »könnte Spaß-Spaß machen, Casanova. Ist dir der Gedanke schon in deinen dicken Schädel gekommen?«
    »Ihnen vielleicht«, entgegnete ich angewidert, »aber der guten Jenny nicht.«
    »Wilby –« Jennys Stimme ertönte hinter mir, rauh flüsternd, »Wilby, was meint er?«
    Wilby richtete sich auf. »Er will uns Sand in die Augen streuen, Baby.« Jenny stand lässig mit vorgereckter Hüfte da; sie trug ein rüschenbesetztes Oberteil und enge Hosen, die unter dem Nabel endeten, so daß ihr nacktes Fleisch vom Unterbauch bis zur Wölbung ihrer Brüste sichtbar war.
    Ich fühlte nichts. Allenfalls noch mehr Abscheu und Ekel. Warum dann den Hinausschmiß auf morgen verschieben? Warum nicht heute, nicht gleich? Weil ich erst einen Ausweg finden mußte, wissen mußte, was …
    »Aber … was haben wir denn getan?« fragte Jenny klagend.
    »Hausfriedensbruch«, sagte ich hart. »Erpressung!«
    Ich sah ihren Augen an, daß sie Angst bekam, sah es mit Befriedigung, mit Vergnügen. Ihre Stimme bebte vor Unsicherheit und klang trotzdem

Weitere Kostenlose Bücher