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Sonntag bis Mittwoch

Sonntag bis Mittwoch

Titel: Sonntag bis Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Hayes
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notwendige Geld beschaffen. Wie viele Menschen waren solchen Methoden schon zum Opfer gefallen? Als der Aufzug oben hielt, glaubte ich fest, daß Geoffrey mit von der Partie war. Wie stand es aber mit Pat, dem Kneipenwirt? Er hatte sie auf meine Spur gesetzt – also war er auch beteiligt. Er würde seinen Anteil bekommen. Dreitausend reichten ziemlich weit.
    Ich hörte schon auf dem Flur die Musik, wenn man das Musik nennen konnte. Sie erinnerte mich an Erweckungsversammlungen in Georgia: der gleiche penetrante, monotone Beat, primitiv, mit einem explosiven, aufpeitschenden Unterton. Als ich die Wohnungstür aufschloß, war das Dröhnen ohrenbetäubend.
    Das unordentliche Wohnzimmer war leer. Als ich den Radioapparat abdrehte, schluckte ich eine ebenso lächerliche wie unwahrscheinliche Hoffnung hinunter. Ich blieb lauschend stehen. Kein Laut. Auf dem Weg in die Bibliothek schlug mir die Hitze von der Terrasse entgegen. Beide Türen standen weit offen. Kein Wunder, wenn die Wohnung einem Ofen glich. Als ich die Terrassentüren schließen wollte, erblickte ich Jenny.
    Sie lag auf einem Badetuch und sonnte sich. Sie lag auf dem Bauch und hatte nichts an. Goldbraun und schlank, das Fleisch fest – mein Herz machte einen Sprung, und jeder Nerv war wieder angespannt. Das kleine, raffinierte Aas. Ich schaute nach oben. Sie war von überall zu sehen – von allen Fenstern über uns und von wer weiß wie vielen Balkonen auf der anderen Straßenseite.
    »Was erlaubst du dir da eigentlich?«
    Sie drehte sich auf den Rücken und blinzelte mich zufrieden an. »Hallo.«
    Ich wandte mich ab. »Mach, daß du 'reinkommst«, knurrte ich sie an. Dann rief ich: »Wilby!« Und noch einmal, wutschnaubend: »Wilby!« Ich ging in die Bibliothek. Dort lag er auf der Ledercouch, ein Bein über die Lehne, und las. Er trug noch immer die dunkle Brille. Offensichtlich hatte er in den Kleidern geschlafen.
    »Wilby – oder wie Sie sonst heißen –, ich habe das Geld. Nehmen Sie Ihre Frau – oder was sie schon ist – und scheren Sie sich fort. Aber ein bißchen plötzlich.«
    Keine Antwort.
    Ich drehte mich um. Jenny stand im Türrahmen, das Badetuch locker um sich drapiert.
    »Du willst, daß wir gehen, Sam?« fragte sie ehrlich enttäuscht – und verwundert. »Wirklich?«
    Ich konnte ihr nicht in die Augen sehen. »Ich habe mich an meinen Teil der Abmachung gehalten«, erklärte ich, wieder an Wilby gewandt, während ich das Bündel druckfrischer Banknoten aus der Brusttasche zog.
    »Respektabel. Ehrenhaft.« Heute fehlten die ironischen hohen Töne, der spöttische Übermut in Wilbys Stimme: sie klang rauh und tief. Er las unbeeindruckt weiter. »Hab' ich nicht gesagt, nicht vor Mittag? Du hörst wohl nie zu, was, Casanova?«
    »Ich gedenke nicht mehr, Befehle entgegenzunehmen.«
    »Laß mich in Frieden. Du siehst doch, daß ich lese.«
    »Sam –« mischte sich Jenny ein.
    Ich konnte sie noch immer nicht ansehen und fand keine Worte. Ich warf das Geld auf den Tisch.
    »Zählen Sie es.«
    »Ich kann es riechen«, erwiderte Wilby im gleichen desinteressierten, kehligen Tonfall. »Ich kann es meilenweit riechen!« Er setzte sich abrupt auf. »Riechen! Was du nicht alles für das bißchen Papier tust!« Ich konnte mir die Antwort nicht verkneifen: »Sie etwa nicht?«
    »Nicht für mich selbst.« Wilby stand auf. »Alles für Jenny. Was, Baby?« Sein Körper wirkte heute gespannt und sprungbereit.
    »Ach, scher dich zum Teufel«, murmelte sie.
    »'rauf mit dir«, knurrte er. »Mach schon.«
    »Kommandier mich nicht 'rum!« Es klang aber ziemlich kleinlaut. »So«, sagte Wilby, als er das Geld an sich nahm, »du gedenkst also nicht mehr, Befehle entgegenzunehmen, Casanova? Paßt dir nicht, wenn ich hier meinen großen Bruder spiele?« Er stelzte an mir vorbei. »Ein kleiner Fehltritt, eine kleine Sünde, und du schmorst im Höllenfeuer, für immer und ewig!« Ich schaute ihm nach, wie er im Wohnzimmer herumstrich, während oben die Tür des Gästezimmers mit einem donnernden Knall zugeschlagen wurde. »Und niemand weiß, wie lang die Ewigkeit dauert, kapito? Weil Ewigkeit das menschliche Vorstellungsvermögen übersteigt – 's ist länger, als man denken kann. Es hört nie auf, Mann!« Er stakste mit steifen, abgezirkelten Schritten auf und ab, mit der beherrschten Verzweiflung eines Raubtieres im Käfig. »Nun frage ich dich, Mann – was für ein gnädiger, liebevoller Hundesohn von einem Gott kann einem Menschen so etwas

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