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Sonntag bis Mittwoch

Sonntag bis Mittwoch

Titel: Sonntag bis Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Hayes
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antun?«
    Ich ermahnte mich zur Vorsicht und ging ins Wohnzimmer. Was kam nun? Wohin mochte diese Stimmung führen? Ich hatte das Tonbandgerät fast vergessen. Unauffällig schlenderte ich zur Bar. »Einen Abschiedsdrink?« erkundigte ich mich.
    Wilby setzte seinen Rundgang fort. »Einen Oldfashioned.« Er stieß ein schnaubendes, freudloses Lachen aus. »Glaubste, daß du das hinkriegst, geschätzter Gastgeber?«
    »Für Sie – alles.« Falls Wilby nicht überrascht war – was er nicht zeigte –, ich war es jedenfalls. Aber ich hatte gelernt, daß es sinnlos war, auf direkte Fragen direkte Antworten zu erwarten, und daß es mich außerdem unweigerlich wieder an den Rand hilfloser und selbstzerstörerischer Wut brachte. Also war ich entschlossen, mich auf seine Art einzustellen.
    Mittlerweile lauerte ich darauf, daß Wilby mir den Rücken drehte. Im gleichen Augenblick stellte ich mein Glas hart auf der Bar ab und schaltete dabei das Tonbandgerät ein. Ein leise schleifendes Geräusch drang hinter der Schranktür hervor, aber Wilby unterbrach sein raubtierhaftes Umherstreifen nicht. Ich mischte den Oldfashioned.
    »Sie haben das Geld nicht gezählt«, sagte ich.
    Die Banknoten waren noch in seiner Hand. Er stopfte sie ohne stehenzubleiben in die Tasche. »Da siehste, wie ich dir traue, Paps.«
    »Das beruht leider nicht auf Gegenseitigkeit.« Ich goß mir einen schwachen Whisky mit Wasser ein; den würde ich sicher brauchen. »Sie wissen natürlich, daß Sie sich der Nötigung schuldig machen, sobald Sie die dreitausend Dollar akzeptiert haben.«
    »Nötigung-Abtreibung«, sagte Wilby, »was macht's, solange du mit dem Mädchen geschlafen hast.«
    Abtreibung. Ich lauschte nachdenklich auf das Rotieren des Tonbandes.
    »Sie hat mir alles gebeichtet, Casanova. Viermal in einer Nacht. Kein Wunder, wenn sie dich Sam nennt!«
    Ich zuckte bei dem Gedanken zurück, daß sie sich beim Frühstück über die Nacht unterhalten hatten. Stehend unter der Dusche auch noch! Kichernd, wie ein paar Affen. Die Vorstellung war grotesk und ekelhaft.
    »Abtreibung«, sagte ich, »gilt vor dem Gesetz als Mord. In diesem Falle sind Sie ebenso schuldig wie der Arzt.«
    Wilby blieb am hinteren Ende des Zimmers stehen und wandte sich zu mir um. »Du auch, Alter. 'n Anwalt wie du muß sich mit Beihilfe und Begünstigung und so 'nem Kram auskennen. Hab' ich mich eigentlich schon für die Pinke bedankt, Casanova? Gehört sich doch, was, Mann?«
    Ich hob mein Glas und nahm einen tiefen Schluck. Wilby stieß einen häßlichen, krächzenden Laut aus, der wohl ein Lachen darstellen sollte. Der Whisky brannte in meinen Gedärmen.
    »Tu ja alles dir zuliebe, Alter. Solltest mir direkt dankbar sein, kapito?«
    »Sie sind der Ehemann«, sagte ich in Anbetracht des laufenden Tonbandes, aber alle Hoffnung hatte mich verlassen.
    »Glaubste, Oskar is von mir?« fragte Wilby. »Nee, wir wollen doch nich, daß noch so 'ne kleine Mißgeburt wie ich die Gegend verschandelt, oder?« Er kam zur Bar und holte sein Glas. »Meinste etwa, ich könnt's den Doktor machen lassen, wenn Oskar von mir wär?« Zum ersten Mal heute kam, während er nippte, wieder ein schwacher Anflug seiner gestrigen Selbstironie zum Durchbruch.
    Mich konnte nichts mehr überraschen. Vielleicht, so schien es mir jetzt, hatte ich schon geahnt, wofür sie Geld brauchten, was hinter dem überfall steckte.
    »Wann?« quetschte ich mit Mühe heraus.
    »Arzt-Arzt sagt morgen. Drei Uhr.«
    Das war es also. So lagen die Dinge. Morgen.
    »Wir haben uns so an die Bude gewöhnt, Mann. Warum soll's nur dir gut gehn?«
    »Vielleicht«, erwiderte ich dumpf, »weil ich dafür gearbeitet habe.« Wilby goß sich das halbe Glas in die Kehle, ohne sich sonst zu bewegen. Dann: »Ich, tja, ich nich. Nur – ich hab's trotzdem. Is das nicht der letzte Heuler, Casanova?« Sein Interesse schien abzuschweifen. »Morgen biste uns los, Paps. Noch eine Nacht – Jennys Idee. Dann – puff – lösen wir uns in Luft auf. Versprech' ich dir.« Er schlenderte in die Bibliothek.
    Ich fragte mich, wo meine Wut geblieben war, ob sie mich jemals wieder packen würde, fragte mich, wann der Schock abebben und wie ich dann reagieren würde. Der leise schnurrende Apparat hinter der Schranktür hatte jedes Wort eingefangen – und fast jedes Wort hatte mich ebenso, wenn nicht noch mehr belastet wie Wilby. Ich kippte meinen Whisky in langen Zügen hinunter und ging tief deprimiert in die Bibliothek.
    »Ich wäre

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