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Sonntag bis Mittwoch

Sonntag bis Mittwoch

Titel: Sonntag bis Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Hayes
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die Lunge wie in einem Schraubstock zusammenquetschten. Liebe. Dieses Wort aus ihrem Mund bedeutete ein Sakrileg, eine Lästerung. Mein Haß brach so verzehrend und abgründig aus mir heraus, daß ich mich nur mit Gewalt aufrichten konnte.
    Ich rasierte mich, versuchte, dem gespenstisch grauen und eingefallenen Gesicht im Spiegel auszuweichen, ich konnte das Zittern meiner Hand nicht beherrschen und schnitt mich an drei Stellen, die ich mit einem blutstillenden Stift behandeln mußte. Dann duschte ich. Die scharfen kalten Nadeln bewirkten kein Prickeln, keine Läuterung meines mit bitterer Schuld beladenen Geistes. Ich war wie ausgehöhlt, und doch von einem verlorenen, quälenden Abscheu erfüllt.
    Ich zog an, was mir gerade in die Hände kam, fummelte mit den Knöpfen herum, kämpfte mit bebenden Fingern gegen den gordischen Knoten der Schuhsenkel. Ich zitterte am ganzen Leib.
    Mühevoll schleppte ich mich auf die Galerie. Als ich an der anderen Schlafzimmertür vorbeistolperte, fragte ich mich, ob sie ihre Drohung wahrgemacht hatte: Ich bleib' nicht bei dir. War sie ausgegangen, um bei einem anderen gesichtslosen männlichen Mechanismus die Erleichterung zu finden, die sie vergeblich suchte, und schlief nun hinter dieser Tür den friedlichen Schlaf der Sorglosen und Amoralischen? Mit einknickenden Knien ging ich die Treppe hinab, durch das unaufgeräumte Wohnzimmer in die Bibliothek. Wilby lag rücklings auf der Ledercouch: schnarchte laut, mit offenem Mund, die schwarzen Zahnstummel inmitten des Bartgestrüpps entblößt, ohne Brille. In der Luft hing ein leiser, undefinierbarer Gestank: Urin, Samen, was? Sein neues Jackett lag zusammengeknüllt auf dem Boden. Lautlos hob ich es auf.
    Der Brief steckte nicht in der Brusttasche, in die er ihn am vergangenen Abend versenkt hatte. Auch fand er sich nicht in den anderen Taschen. Du hast einen neuen Lebensinhalt gefunden und ich meine einzige, wahre Liebe! Der Geruch im Zimmer verstärkte noch meinen Ekel. Was hatte er mit dem Brief gemacht?
    Ich hatte einen neuen Wutanfall erwartet, aber es war, als hätte sich meine Frustration in einer tieferen und unergründlichen Bewußtseinsebene angesiedelt, einer so alltäglichen Regung wie Ärger weit entrückt. Was er bezüglich des Briefes gesagt hatte, stimmte natürlich. Jeder normale Mensch – ob Polizist, Reporter oder Zeitungsleser – würde natürlich bei der Lektüre unweigerlich eindeutige Schlüsse ziehen. Gab es denn keine Gemeinheit, deren er nicht fähig war?
    »Hab' dich doch gewarnt, Casanova, was?« Er nuschelte schlaftrunken? Oder ebenso verkatert wie ich? »Laß deine Pfoten von meinen Kleidern … meine Privatsache, kapito?« Er hielt die Augen geschlossen. »In meiner Hosentaasche, Mann. Gut aufbewahrt.«
    »Wilby –« Meine Zunge war dick, der Mund ausgetrocknet und steif. »Versteh' dich schon, Paps. Redest zu laut.«
    »Wenn die Operation heute nachmittag vorüber ist –«
    »Abtreibung, Casanova, Haste immer noch Angst vor dem richtigen Wort?«
    »Wenn es vorbei ist, rufen Sie mich im Büro an –«
    »Jenny wird direkt gerührt sein, Mann.«
    »Die Nummer ist in der Schublade des Telephontischchens.«
    »Hast mein Wort –«
    »Nennen Sie sich Smith, wie gestern abend.«
    »Geh mir aus den Augen.« Er rollte sich auf die Seite, zu mir hin, und schlug die Augen auf.
    »Wenn ich nicht da bin, hinterlassen Sie Nachricht bei meiner Sekretärin.«
    »Bei Phoebe, nicht wahr? Der guten, alten Phoebe Waldron?«
    Woher kannte er ihren Namen? Hab' meine Quellen. Deine Sekretärin da – hatte er gestern abend gesagt.
    »Ehrlich, Paps, du siehst 'n bißchen zu mitgenommen aus, um heute für die Gerechtigkeit zu kämpfen.«
    »Haben Sie verstanden?«
    »Jenny nimmt 'nen Mann wirklich her, da biste ausgebrannt, was?«
    »Haben Sie verstanden?«
    »Kapito, Paps. Genau so, wie du mich gestern abend nich verstanden hast.«
    Ich wandte mich ab. Ich mußte von der Annahme ausgehen, daß tatsächlich eine Abtreibung stattfinden würde und daß die beiden sich anschließend absetzten. An diesen Trost mußte ich mich klammern, um den Tag zu überstehen.
    »Haste Angst, daß sie abkratzt, Casanova?«
    Im ersten Moment einer unvernünftigen Sorglosigkeit war es mir völlig gleichgültig. Ich hoffte sogar, daß sie starb! Aber im Wohnzimmer bereits stockte ich. Falls dies eintrat, würden sie die Spur natürlich früher oder später bis zu mir zurückverfolgen, ob nun Wilby in den Gang der Ereignisse eingriff

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